Abwasserschächte: Infiltrationen mit Stopfmörtel stoppen (Teil 2)
Teil 1: Sechs Anbieter von Abdichtungsmörteln im vergleichenden IKT-Test
Teil 2: Dicht für eine Woche? Die Ergebnisse und die Schlussfolgerungen
Nach sieben Tagen lagen immer noch sieben von neun Herstellern auf oder oberhalb der 50 Prozent-Marke. Allerdings rutschte zwischenzeitlich ein Anbieter unter 75 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt schaffte es Pagel als einziger Hersteller, dass alle mit seinem Mörtel behandelten Schäden dicht und trocken waren. Das gelang vorher nicht, und später auch nicht mehr.Nach der zweiten Woche: weiterhin sieben von neun Herstellern mit einem Abdichtungsergebnis von größer oder gleich 50 Prozent – aber wieder einer weniger mit 75 plus. So reduzierte sich die Anzahl der Anbieter mit einem Abdichtungsergebnis von größer oder gleich 75 Prozent zwischenzeitlich auf zwei.
Schwächephase in der dritten Woche
Bei der Inspektion nach drei Wochen hatten dann nur noch vier Anbieter eine Abdichtungsquote von größer oder gleich 50 Prozent. Die zwei Hersteller im Bereich 75 Prozent und mehr konnten sich allerdings dort oben halten. Drei Firmen erreichten jetzt nur noch ein Ergebnis von kleiner oder gleich 33 Prozent, was einer Dichtheit von acht oder weniger Schäden von 24 entspricht.Besser spät als nie
In der vierten und letzten Woche des Prüfzeitraums änderten sich die Ergebnisse nur noch in Nuancen. Eine Nuance zu viel für IPA, die kurz vor Ende der Prüfung noch unter 75 Prozent rutschten und Pagel im oberen Wertungsbereich allein ließen. Gegen den Trend konnte jetzt Bawax mit seinem Xypex Patch´n Plug die ersten vollständig dichten, trockenen Schadstellen vorweisen. „Der Hersteller führt das auf die vergleichsweise langsam voranschreitende Kristallbildung in diesem Produkt zurück“, erklärt Markus Gillar. „Ein längerer Versuchszeitraum, um das weiter zu beobachten, war aber leider nicht vorgesehen.“
Augenscheinlich unterschiedliche Schwierigkeitsgrade der Schäden
Bei der Detailauswertung fiel den Testern eine starke Korrelation zwischen der Art des Schadens und dem Sanierungserfolg auf. Die Einzelschäden – Bohrlöcher mit unterschiedlichen Durchmessern – erwiesen sich in den meisten Fällen als abdichtbar, wohingegen die Undichtigkeiten in den Ringfugen zu vielen Auffälligkeiten führten – hier vor allem die „Undichten Ringfugen mit Abplatzungen am Muffenspiegel“. Eine große Bandbreite des Abdichtungs(miss)erfolgs offenbarte sich bei dem „Flächigen Schaden“. Hier zeigten einige Materialien sehr viele, andere Materialien kaum Auffälligkeiten. Generell stellten die Tester fest: Je höher der Außenwasserdruck beziehungsweise der Durchfluss an der Schadstelle ist, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten einer Undichtheit nach der Abdichtung.Dicht für eine Woche?
In den Versuchen konnten alle Mörtelsysteme die Infiltration von fließendem Wasser zumindest kurzfristig unterbinden. Die Mehrzahl der getesteten Materialien zeigte bis zu einer Woche nach der Reparatur gute Abdichtungsergebnisse. Über den gesamten Versuchszeitraum von vier Wochen wurde jedoch deutlich, dass eine vollständige Dichtwirkung über einen längeren Zeitraum mit den verwendeten Materialien kaum zu erreichen ist. Die Tester stellten verschiedene Arten von Undichtigkeiten an den sanierten Schadstellen fest: von Feuchteflecken über Feuchteflecken mit Tropfenbildung bis hin zu Feuchtefahnen. Nur der Mörtel Puder-EX von HEY’DI konnte an drei von 24 Stellen die Infiltration nicht stoppen.Mörteloberflächen kaum tragfähig genug für weitere Sanierung
Dicht ist schon mal gut. Aber für das Gelingen einer Schachtbeschichtung muss der Schacht nicht nur trockengelegt werden. Der Untergrund muss auch ausreichend tragfähig sein. Und da besteht nach Ansicht der IKT-Wissenschaftler tatsächlich die Gefahr, dass man sich mit den Abdichtmörteln unbeabsichtigt potenzielle Schwachstellen in den Schacht einbaut. Das kann im schlimmsten Fall das Versagen eines auf Adhäsion ausgelegten Sanierungssystems provozieren.Lediglich der KA-S Stopfmörtel von Pagel erfüllt bei der Oberflächenzugfestigkeit die üblichen Anforderungen, die an einen beschichtungsfähigen Untergrund gestellt werden. Dicht auf den Fersen ist ihm der Ergelit 10 SD, der zwar wie der Pagel-Mörtel die Anforderungen nach DWA-M 143-17 [1] erfüllt, nicht aber die nach DAfStb-Richtlinie [2]. Mehrere Materialien konnten bei den Haftzugprüfungen nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllen. Wenig überraschend: Bei diesen Mörteln wurde tendenziell auch ein höherer Grad der Undichtigkeit festgestellt.
Der mangelnde Verbund zwischen Betonuntergrund und Abdichtungsmörtel war dabei eine immer wieder auftretende Schwachstelle. Bei sechs von neun Anbietern war die Verbundfläche zwischen Mörtel und Untergrund die häufigste Versagens- beziehungsweise Bruchstelle.
Erst dicht, dann nicht: Abdichtung lässt Grundwasser steigen
Bei den In-situ-Untersuchungen konnten alle Materialien, die in den Laborversuchen verwendet wurden, erfolgreich eingesetzt werden. Die Anwendung wich dabei nicht wesentlich von den Laborversuchen ab. Alles plausibel also. Die Wissenschaftler beobachteten dabei in einigen Fällen einen interessanten Effekt: Nach Abdichtung der Schadstellen stieg der Grundwasserspiegel an – innerhalb von fünf bis zehn Minuten um eine Klinkersteinhöhe. So wurden auch Undichtigkeiten an höhergelegenen Schadstellen sichtbar, die dann ebenfalls abgedichtet werden mussten.Einen ähnlichen Effekt wird man in Gebieten mit schwankenden Grundwasserständen beobachten können. Erfolgt die Abdichtung bei niedrigem Grundwasser, können weitere Undichtigkeiten zutage treten, sobald der Grundwasserspiegel wieder steigt. Dann muss man notgedrungen nochmal ran und abdichten. Für den Erfolg der Maßnahme ist es also wichtig, nach einiger Zeit noch mal einen Blick in die abgedichteten Schächte zu werfen und zu schauen, ob nach einem möglichen Grundwasseranstieg noch an anderer Stelle Wasser eindringt. Und bitte bedenken: Ein schadhafter Schacht wirkt mitunter wie eine Drainage; mit der Abdichtung kann man den Grundwasseranstieg also auch selbst verursachen.
Harter Job: Stopfmörtel
Natürlich sind die Anforderungen an Abdichtungsmörtel sehr hoch und schwer zu erfüllen. Sie müssen innerhalb kürzester Zeit erstarren und dürfen nicht viel Zeit zum Erhärten benötigen. Sie müssen dynamische Lasten aufnehmen können und sich möglichst fest mit dem Betonuntergrund verzahnen. Und alle diese Eigenschaften sollen in einem einzigen Produkt vereint sein. Daher mischen die Hersteller ihren Rezepturen eine Reihe von Zusatzstoffen bei, darunter Abbinde- und Erstarrungsbeschleuniger, Quellmittel und Fasern [3]. Und dann kommt es auch noch auf die richtige Verarbeitung an.
Timing ist entscheidend
Die Verarbeitung der verschiedenen Stopfmörtel unterscheidet sich nicht wesentlich voneinander. Das trockene Mörtelpulver wird mit Wasser angerührt und zu einem Pfropf geknetet, der dann in die Schadstelle eingedrückt wird. Die dafür zur Verfügung stehende Verarbeitungszeit variiert zwischen 0,5 und 3,5 Minuten. Nur ein Stopfmörtel wird anders verarbeitet: Bei ihm wird das trockene Mörtelpulver als „Ball“ in die Schadstelle gedrückt und reagierte dort mit dem infiltrierenden Wasser.Die Materialien reagieren besonders schnell und müssen daher im Schacht direkt an der Schadstelle verarbeitet werden. Entscheidend ist, genau den richtigen Zeitpunkt zu treffen, zu dem der Mörtelpfropfen die geeignete Konsistenz erreicht hat. Wird er zu früh in die Schadstelle gedrückt, spült ihn das anstehende Wasser wieder aus. Wartet man zu lange, ist der Mörtel möglicherweise schon ausreagiert und kann deswegen keinen Verbund zum Untergrund mehr eingehen oder bricht beim Eindrücken auseinander.
Der Erfolg der Abdichtungsarbeiten wird also maßgeblich von der richtigen Konsistenz des Mörtels beeinflusst. Das Zeitfenster, in dem die optimale Konsistenz vorliegt, beträgt nur wenige Sekunden. Einen großzügigeren Zeitrahmen von bis zu 3,5 Minuten bieten die Mörtel mit einer längeren Verarbeitungszeit.Flächenmörtel: Erfahrung kann nicht schaden
Die untersuchten Flächenmörtel werden alle in gleicher Weise verarbeitet. Die Schadstellen werden solange mit trockenem Pulver eingerieben, bis kein nachsickerndes Wasser mehr erkennbar ist. Das hört sich einfacher an, als es ist: Denn es zeigte sich, dass für die Verarbeitung der Abdichtungsmörtel eine gewisse Erfahrung erforderlich ist und bei Erstanwendung eine Einweisung durch den Anbieter hilfreich sein kann.
Nur dicht reicht noch nicht
Für die Netzbetreiber bedeuten die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts: Mit schnell abbindenden Stopf- und Flächenmörteln können Infiltrationen grundsätzlich gestoppt werden – allerdings oft nicht dauerhaft und häufig ohne vollständige Abdichtung. „Meist reicht es aber bis zum Einbau eines dauerhaften Sanierungssystems“, sagt Sebastian Busch. „Oder man muss zum Nachabdichten noch mal ran. Das gilt auch, falls durch die Abdichtung das Grundwasser steigt und dann durch höhergelegene Schadstellen einströmt.“
Allerdings warnt Markus Gillar: „Wenn es um die Tragfähigkeit des Untergrunds für die weitere Sanierung geht, können mit Stopfmörteln abgedichtete Bereiche zum Risiko werden.“ Er ergänzt: „Später eingebaute Beschichtungen oder Auskleidungen haften dann vielleicht auf dem Mörtel, der Mörtel aber oft nicht gut genug auf dem Beton.“ Das ist als Hinweis sowohl an die Netzbetreiber als auch an die Mörtelhersteller – als Anstoß für Produktverbesserungen – zu verstehen.von Sebastian Busch, Markus Gillar, Henning Winter
Dieser Artikel ist in ähnlicher Form in der Zeitschrift „bbr – Leitungsbau I Brunnenbau I Geothermie“, Ausgabe 09-2018 erschienen.
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Ansprechpartner
Sebastian Busch, M.Sc.
Telefon: 0209 17806-38
E-Mail: busch@ikt.de
Literatur
[1] DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.: DWA-M 143-17: Sanierung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden – Teil 17: Beschichtung von Abwasserleitungen, -kanälen und Schächten mit zementgebundenen mineralischen Mörteln. Hennef, DWA, 2006.
[2] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V.: DAfStb-Richtlinie: Schutz und Instandhaltung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie). Berlin, Beuth Verlag GmbH, 2001.
[3] Klausen, D.; Hoscheid, R.; Lieblang, P.: Technologie der Baustoffe. 15. Auflage. Berlin, VDE Verlag, 2013.
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