Tagesbrüche, Absackungen, Hohlräume: Defekte Kanäle häufig Ursache
Ursache: Bergbau oder defekte Abwasseranlage?
Werden Tagesbrüche, Absackungen oder Hohlräume festgestellt, werden häufig zunächst Bergschäden oder alte unterirdische Stollen als Ursache vermutet. Doch nicht überall, wo Tagesbrüche auftreten, wurde früher Bergbau betrieben. Und auch in ehemaligen Bergbauregionen wie dem Ruhrgebiet oder dem Saarland entstehen längst nicht alle Tagesbrüche durch einfallende unterirdische Stollen. Ursache können auch Defekte an der Abwasserinfrastruktur sein – und das sogar häufiger als man denkt.
Aktuell: Hohlraum unter vielbefahrener Straße in Essen
Kürzlich berichtete die Lokalpresse über einen Einbruch der Straßendecke auf einer viel befahrenen Straße in Essen. Unterhalb der 60 mal 80 Zentimeter großen Öffnung an der Oberfläche gab es eine Aufweitung von mehreren Metern, berichtet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Dabei seien auch Straßenbahnschienen unterspült worden. Eine Straßenbahn habe rechtzeitig halten können. Niemand kam zu Schaden. Ursache: vermutlich ein defekter Abwasserschacht. Die Straße musste mehrere Tage lang gesperrt werden. Der Verkehr wurde umgeleitet.
Durch schadhafte öffentliche Kanäle und Schächte, aber auch durch öffentliche oder private Grundstücksanschlussleitungen und die Straßenentwässerung kann Erdreich ausgespült und über Kanäle und Leitungen abtransportiert werden. Die so entstehenden Hohlräume können sich bis zur Geländeoberfläche fortsetzen und dort zu Tagesbrüchen und Absackungen führen. Die Ursachenermittlung und Nachweisführung nach Feststellung von Tagesbrüchen ist allerdings nicht immer ganz einfach.
Nur seltene Einzelfälle oder echtes Problem?
Handelt es sich bei Tagesbrüchen, Absackungen oder Hohlräumen aufgrund defekter Abwasseranlagen um ein flächendeckendes Problem oder werden bundesweit nur sehr wenige Einzelfälle festgestellt? Dieser Frage ist das IKT in einem aktuellen Forschungsprojekt nachgegangen und hat hierzu etwa 70 nordrhein-westfälische Abwassernetzbetreiber befragt.Das Ergebnis zeigt: In fast allen an der Umfrage beteiligten Gemeinden kommen Tagesbrüche infolge defekter privater Abwasseranlagen regelmäßig vor. Je nach Gemeindegröße variiert die Anzahl an Tagesbrüchen pro Jahr im einstelligen oder zweistelligen Bereich.
Bei den meisten bekannten und dokumentierten Fällen handelt es sich um eher geringe Schäden, bei denen die Kosten für die Beseitigung im niedrigen vierstelligen Bereich liegen. Aber auch große Schäden sind bekannt, wie zum Beispiel aus Solingen, wo infolge eines Tagesbruchs eine vielbefahrene Stadtautobahn für mehrere Wochen gesperrt werden musste. Ursache auch hier: eine defekte Abwasserleitung.
Statistik der Stadt Gelsenkirchen
Das Umfrageergebnis zeigt auch, dass kaum ein Abwasserbetrieb die festgestellten Tagesbrüche systematisch erfasst oder Statistiken hierzu führt. Anders in Gelsenkirchen: Der kommunale Abwasserbetrieb dokumentiert die immer wieder auftretenden Tagesbrüche im öffentlichen Verkehrsraum und stellt die Ursache fest. Verursacht werden diese Tagesbrüche unter anderem durch defekte private Entwässerungsanlagen, defekte öffentliche Abwasseranlagen oder durch defekte Straßenentwässerungsanlagen. Schadhafte private Entwässerungsanlagen sind dabei mit einem Anteil von über 50 Prozent der Hauptverursacher. Die Grundstücksanschlussleitungen sind in Gelsenkirchen Bestandteil der privaten Abwasseranlage. In den Jahren 2010 und 2011 wurden in der Stadt Gelsenkirchen zum Beispiel folgende Schäden dokumentiert:Tagesbrüche durch defekte Abwasseranlagen in Gelsenkirchen (Jahr 2010):
- 25 Tagesbrüche, durch private Entwässerungsanlagen verursacht
- 10 Tagesbrüche, durch öffentliche Abwasseranlagen verursacht
- 8 Tagesbrüche, durch Straßenentwässerungsanlagen verursacht
Tagesbrüche durch defekte Abwasseranlagen in Gelsenkirchen (Jahr 2011):
- 30 Tagesbrüche, durch private Entwässerungsanlagen verursacht
- 11 Tagesbrüche, durch öffentliche Abwasseranlagen verursacht
- 10 Tagesbrüche, durch Straßenentwässerungsanlagen verursacht
Ob öffentlich oder privat: Inspektionen beugen vor!
Um das Risiko von Tagesbrüchen, Absackungen und Hohlräumen durch defekte Abwasseranlage zu minimieren, können regelmäßige Inspektionen und Prüfungen von Abwasseranlagen weiterhelfen. Nach § 61 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sind Betreiber von Abwasseranlagen zu diesen regelmäßigen Überprüfungen sowieso verpflichtet. Die Überwachung von öffentlichen Abwasseranlagen wird in den meisten Bundesländern durch Selbstüberwachungs- beziehungsweise Eigenkontrollverordnungen geregelt. Ein Großteil der öffentlichen Kanalisation wurde bereits untersucht und wird weiterhin regelmäßig untersucht. Doch die Überprüfung von Grundstücksanschluss- und Straßenentwässerungsleitungen steht vielerorts noch am Anfang.Um Risiken für die Umwelt und die öffentliche Sicherheit zu mindern, ist eine flächendeckende Untersuchung der öffentlichen Abwasseranlage und insbesondere auch von Grundstücksanschluss- und Straßenentwässerungsleitungen – egal ob öffentlich oder privat – durch die Städte und Gemeinden zu empfehlen.
Fotodokumentation zu Schadensfällen durch defekte private Leitungen
Das IKT hat im Auftrag des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums eine Fotodokumentation zu Schadensfällen im öffentlichen Verkehrsraum durch defekte private Abwasserleitungen erarbeitet. In der Fotodokumentation werden etwa 80 Tagesbrüche, Absackungen und Hohlräume gezeigt, die infolge schadhafter privater Abwasserleitungen entstanden sind.Die Dokumentation dient als Argumentationshilfe für die Überprüfung von öffentlichen und privaten Grundstücksanschlussleitungen. Sie ist als „living document“ ausgelegt und wird fortlaufend aktualisiert.
Dokumentierte Schadensfälle durch defekte private Abwasserleitungen
Wenn Sie Bilder oder Fallbeispiele zu Tagesbrüchen, Absackungen oder Hohlräumen haben, können Sie diese gerne an das IKT weiterleiten. E-Mail: beck@ikt.de
Presseschau
Castrop-Rauxel: Tagesbruch in Castrop-Rauxel – 16-Jähriger stürzte in zwei Meter tiefes Loch
Dortmund: Tagesbruch sorgt für Straßensperrung in der Nordstadt
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Mülheim an der Ruhr: Tagesbruch auf der Aktienstraße in Mülheim behindert Verkehr
Witten: Loch in Bürgersteig: Stadt sieht Hausbesitzer in der Pflicht
Einbaufehler vermeiden – Kanäle und Leitungen richtig einbauen!
Viele Schäden, die zu Tagesbrüchen, Absackungen und Hohlräume führen, sind vermutlich auch auf Einbaufehler zurückzuführen. Wie Kanäle und Leitungen richtig eingebaut und verlegt werden, wird im IKT-Seminar zur neuen DIN EN 1610 vermittelt.
Nächste Termine:
2. November 2016 im IKT in Gelsenkirchen
28. Juni 2017 im IKT in Gelsenkirchen
13. Dezember 2017 im IKT in Gelsenkirchen
Programm und Anmeldung
Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Marco Schlüter
Telefon: 0209 17806-31
E-Mail: schlueter@ikt.de
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