Trotz Pflicht: Viele private Kanäle noch ungeprüft
Schluss mit lustig in Köln
40.000 Kölner Grundstückseigentümer staunten im Mai 2016 nicht schlecht beim Blick in ihre Briefkästen. Darin lagen Erinnerungsschreiben zur Prüfung ihrer privaten Abwasserleitungen. Aus einigen Umschlägen fielen sogar Mahnungen mit der Androhung von Zwangsgeld. Absender: Stadtentwässerungsbetriebe Köln. Zwar liegen in der größten Stadt Nordrhein-Westfalens bereits mehr als 10.000 Bescheinigungen über die Zustands- und Funktionsprüfung vor, berichtet Martina Saathoff von den Stadtentwässerungsbetrieben in ihrem Vortrag. Doch bei circa 68.000 Objekten in Wasserschutzgebieten ist das noch ausbaufähig. In der Stadt am Rhein herrscht Vorlagepflicht für das Prüfergebnis.
NRW: Erste Frist abgelaufen
Für zwei Gruppen von Immobilien, die in Wasserschutzgebieten liegen, lief die Frist zur Zustands- und Funktionsprüfung der privaten Abwasseranlage am 31. Dezember 2015 ab: für Wohnimmobilien mit Baujahr vor 1965 und für Industrie- und Gewerbeimmobilien mit Baujahr vor 1990.
Beratung zu Überflutungsschutz in Dortmund
Die politische Findungsphase, wie die rechtlichen Vorgaben zur Zustands- und Funktionskontrolle umgesetzt werden, hat in Dortmund lange gedauert, sagt Dipl.-Ing. Ulrike Meyer von der Stadtentwässerung Dortmund. Zwei Starkregenereignisse mit Überflutungen im selben Stadtgebiet innerhalb kurzer Zeit sind dazwischen gekommen und haben viel Aufmerksamkeit gebunden. Die Bürger haben sich entsprechend mit der Prüfung ihrer Leitungen zurückgehalten. So liegen bei insgesamt 4.000 Objekten in Wasserschutzgebieten – mit unterschiedlichen Fristen – bisher nur etwa 100 Bescheinigungen vor.Die Überflutungen haben allerdings dazu geführt, dass mehr Personalstellen für die Bürgerberatung genehmigt wurden. Nun stehen 10 Mitarbeiter zur Verfügung, die zur Beratung auch auf die Grundstücke gehen. Durch die aktuellen Starkregenereignisse liegt der Schwerpunkt dabei aber nicht so sehr auf der Zustands- und Funktionsprüfung sondern eher auf den Themen Rückstau- und Überflutungsschutz.
Schwerte setzt auf Beratung
Schwerte hat es schwer. 98 Prozent des Stadtgebiets liegen im Wasserschutzgebiet. Mittlerweile liegen in Dortmunds Nachbarstadt mehr als 4.000 Bescheinigungen vor – allerdings stammen die nur zum Teil von den Eigentümern, für die die Frist Ende 2015 abgelaufen ist. Für 2.500 von 4.000 Grundstücken mit Frist 31. Dezember 2015 liegen noch keine Bescheinigungen vor. Trotzdem will man bei der Stadtentwässerung Schwerte (SEG) nur in Ausnahmefällen, wenn Gefahr im Verzug ist, Druck auf die Bürger ausüben. Die Stadt im Ruhrtal setzt eher auf Beratung, erklärt Dipl.-Ing. Anke Weber von der SEG. Die erfolgt in Kooperation mit einem Ingenieurbüro, da die SEG keine zusätzlichen Planstellen für die Bürgerberatung erhalten hat.
Kooperationsangebot für Herner Bürger
Ganz anders die Situation in Herne: In der Ruhrgebietsstadt gibt es überhaupt keine Wasserschutzgebiete. Trotzdem hat man dort ein Auge auf die privaten Entwässerungsanlagen. Der Fokus liegt auf der Einbindung der Bürger bei öffentlichen Baumaßnahmen. Ein Grund dafür: Dipl.-Ing. Josef Becker ist nicht nur Leiter der Stadtentwässerung Herne sondern auch des Tiefbauamts und sieht er das Thema ganzheitlich. Er will mehrfaches Aufgraben der Straßen und damit verbundene Belästigungen der Bürger verhindern. Deshalb werden in Herne im Zuge der Inspektion der öffentlichen Kanäle auch die Anschlussleitungen inspiziert. Über sanierungswürdige Schäden werden die Bürger informiert. Sie können dann ihre Leitungen durch die Stadtentwässerung kostengünstiger sanieren lassen. Laut Becker nehmen 65 Prozent der Eigentümer das Angebot an.Merkzettel für Eigentümer in Troisdorf
Anders als in Herne liegt rund die Hälfte des Troisdorfer Stadtgebiets im Wasserschutzgebiet. Für 39 Prozent der prüfpflichtigen Grundstücke liegen inzwischen die Bescheinigungen vor. Prüfergebnisse: 85 Prozent dicht, 15 Prozent undicht. An alle Eigentümer ohne Bescheinigung schickt der Abwasserbetrieb Erinnerungsschreiben. Volker Jansen vom Abwasserbetrieb Troisdorf will Unbelehrbaren aber durchaus auch mit Zwangsgeldern beikommen. Noch nicht ganz geklärt ist die Frage, wie mit den etwa 1.000 Bescheinigungen mit dem Prüfergebnis „undicht“ aus der Zeit vor der jetzt geltenden Regelung verfahren wird.Emmerich hat Leitungen unter der Straße übernommen
Der Abwasserbetrieb der Stadt Emmerich am Rhein hat die ehemals privaten Grundstücksanschlussleitungen in 2014 übernommen. Das hat bisher reibungslos funktioniert, berichtet Dipl.-Ing. Mark Antoni von den Technischen Werken Emmerich. Bürgerbeschwerden gab es nicht, und auch die befürchtete Gebührenerhöhung ist ausgeblieben. In der Bürgerberatung ist neben der Prüfpflicht für die rund 700 Grundstücke im Wasserschutzgebiet der Überflutungsschutz ein wichtiges Thema.
Hart durchgreifen oder informieren und beraten?
Auch Sanierungsunternehmen und Gutachter haben ihre Erfahrungen mit der Umsetzung der Prüfungen gemacht und trugen mit ihren Beiträgen am Tag der Grundstücksentwässerung zu dem detaillierten Gesamtbild bei, das auf der Tagung gezeichnet wurde. So zieht Heiko Möller vom überregional tätigen Unternehmen Lobbe Entsorgung West ein zweigeteiltes Fazit aus den gesammelten Daten: Einerseits erreiche man durch hartes Durchgreifen der Kommune mit Pflicht zur Vorlage der Prüfbescheinigung und Androhung von Ordnungsgeld gute Umsetzungsquoten. Andererseits zeige seine Erfahrung, dass auch eine offensive Informationspolitik und ein großes Beratungsangebot die Bürger dazu bewegen können, die Prüfungen durchführen zu lassen.Weitere Vorträge befassten sich mit den rechtlichen Aspekten rund um die Grundstücksentwässerung, mit der Sanierung von privaten Abwasseranlagen und der Sicht der Eigentümer auf das Thema. Auch in diesem Jahr wurde das Vortragsprogramm wieder von einer abwechslungsreichen Fachausstellung begleitet. Einige Aussteller präsentierten ihre Produkte dem Publikum auch auf der großen Bühne.
Mehr als 150 Teilnehmer kamen zum 7. Deutschen Tag der Grundstücksentwässerung nach Köln. Veranstalter waren wie in den Vorjahren die Technische Akademie Hannover und das IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur.
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