Drosseln oft nicht zuverlässig genug – das liegt aber nicht nur an den Organen selbst
Drosseleinrichtungen an Regenbecken: Vergleichende Untersuchungen von hydromechanischen Drosselorganen
Download Kurzbericht „Hinweisleitfaden für Bau und Betrieb von Drosselorganen“
Download ausführlicher Langbericht zum Forschungsprojekt
Drosseln mit wichtigem Job
Rohre, Schächte, Gullys und Kläranlagen – daran denkt man zuerst, wenn von Abwasseranlagen die Rede ist. Doch auch Drosselorgane verrichten – eher im Verborgenen – wichtige Arbeit in Kanalnetzen und Mischwasserbehandlungsanlagen. Sie regeln insbesondere die aus Regenbecken und Stauraumkanälen zur Kläranlage weitergeleiteten Abflüsse. Gleichzeitig sollen sie dazu beitragen, vorhandene Beckenvolumina optimal zu nutzen. So verhindern sie, wenn sie richtig eingestellt sind und gut funktionieren, unnötige Einleitungen von unbehandeltem Mischwasser in unsere Gewässer. Diese Einrichtungen sind daher sehr wichtig für den Gewässerschutz. Und auch Kläranlagen funktionieren nur optimal, wenn sie wohldosiert mit Abwasser versorgt werden.
Verhaltensauffällige Drosseln
Erfahrungen der IKT-Prüfstelle für Durchflussmessung aus der Überprüfung von über 500 Drosseleinrichtungen zeigen, dass bauartbedingt hydromechanische Drosselorgane mit beweglichen Teilen in halbtrockener Aufstellung oder in Nassaufstellung ein auffälliges Betriebsverhalten zeigen können. Dabei kann es zu unplanmäßigen und in der Regel nicht genehmigten Abflüssen und Entlastungen kommen.Insbesondere bei nass aufgestellten Drosselorganen werden die beweglichen Teile bei einem Regenereignis vom Abwasser überstaut. Das führt dazu, dass diese nahezu nach jedem Einstau-Ereignis kontrolliert werden müssten, um Ablagerungen und Verzopfungen zu entfernen, die andernfalls zu dauerhaften Funktionsstörungen führen können – mit den bereits aufgeführten Effekten.
Eignung für langfristigen Betrieb im Fokus
In dem Forschungsprojekt „Drosseleinrichtungen an Regenbecken: Vergleichende Untersuchungen von hydromechanischen Drosselorganen“ wollten die IKT-Wissenschaftler, das NRW-Umweltministerium und die beteiligten Netzbetreiber als Auftraggeber zuverlässige und unabhängige Informationen über die Eigenschaften von marktgängigen, hydromechanischen Drosseleinrichtungen gewinnen. Und daraus wichtige Erkenntnisse für Planung, Einbau, Wartung und Betrieb ableiten. Diese Informationen sind für Netzbetreiber bei der regelmäßigen hydraulischen Überprüfung der Einrichtungen und bei zukünftigen Investitionsentscheidungen von großer Bedeutung. Deshalb lag der Fokus bei den Labor- und Betriebsprüfungen und den ergänzenden In-situ-Untersuchungen auf der Eignung der Drosselorgane unter langfristigen Betriebsbedingungen.
3 Fragen an… Projektleiter Markus Gillar
Was war die größte Herausforderung bei diesem Forschungsprojekt?
Das war die Beschränkung im Warentest auf lediglich sechs Drosselorgane und die zu treffende Auswahl. Aus Forschungssicht wäre hier ein deutliches Plus wünschenswert gewesen!
Gibt es eine zentrale Erkenntnis?
Es scheint noch viel Unwissen in puncto Planung, Bau und Betrieb von Drosseleinrichtungen vorzuherrschen. Wir hoffen, hier ein bisschen Licht ins Dunkel gebracht zu haben, und würden gerne in Zukunft noch weitere Bereiche erhellen.
Was sollte jetzt passieren?
Wir sollten mehr Wissen aufbauen, um Fehler der Vergangenheit und Gegenwart zukünftig zu vermeiden. Eigentlich ist das Wissen ja da, es muss nur systematisch angewendet werden!
Praktische Handlungsempfehlungen erarbeitet
Basierend auf den Ergebnissen der Untersuchungen wurden durch den Projekt-Lenkungskreis Handlungsempfehlungen für die Mitarbeiter der Kommunen und Wasserverbände sowie Planungsbüros erarbeitet. Sie geben wesentliche Hinweise zu Bau, Betrieb und zur Prüfung von Drosseleinrichtungen. Mit diesen Empfehlungen zeigen die Forscher auf, welche Vorgaben und Randbedingungen bei Bau und Betrieb von Drosseln wichtig sind und mit denen sich auch die Gewässerqualität positiv beeinflussen lässt.Damit Netzbetreiber diese Ergebnisse in ihre alltägliche Arbeit einfließen lassen können, wurde der übliche Kurzbericht in Form eines Leitfadens erstellt. Dieser beschreibt für hydromechanische Drosselorgane und MID-Schiebersysteme Grundlagen und Regelwerke zu Bau und Betrieb sowie Vorgaben für die Qualitätssicherung.
Eine Checkliste für die Zustandserfassung bei der hydraulischen Kalibrierung, die aus einer Netzbetreiber-Befragung heraus entwickelt wurde, dient den Abwasserbetrieben als Hilfe für die tägliche Arbeit. Sie beinhaltet die wesentlichen Anforderungen an Drosselorgane und ermöglicht einen schnellen Überblick über die vorherrschenden Randbedingungen sowie den Zustand der entsprechenden Anlage.
Warentest mit Herz
Herzstück des Forschungsprojekts ist der IKT-Warentest „Drosselorgane an Regenbecken“. Sechs hydromechanische Drosseleinrichtungen für Regenbecken wurden vergleichend untersucht.Die Prüfung mit Klarwasser wurde von fast allen Produkten nahezu durchweg und ohne Probleme bestanden. Jeweils vier von sechs Drosselorganen zeigten allerdings schlechte Prüfergebnisse, wenn die Prüfungen nach Betriebsbelastung, im ungereinigten Zustand und mit Schmutzwasser durchgeführt wurden. Etwa die Hälfte der Störkörper-Versuche führte zu einer Verlegung, bei der die automatische Verlegebeseitigung des Drosselorgans aktiviert werden musste. Lücken zeigten sich bei der Qualitätssicherung: Mehr als 40 Prozent der geforderten Dokumente und Nachweise konnten von den Anbietern nicht beigebracht werden.
Die Ergebnisse sind breit gestreut: Sie reichen von GUT (2,1) bis MANGELHAFT (5,0). Eine Drossel konnte aus technischen Gründen nicht bewertet werden, da der Drosselabfluss bauartbedingt nicht auf die gewünschte Zielgröße eingestellt werden konnte. Dennoch wünschte der Lenkungskreis eine Untersuchung dieses Drosseltyps.
Hier erfahren Sie mehr über diesen Warentest.
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Erkenntnisse für Bau und Betrieb von Drosseln
Aus den Projektergebnissen haben die Wissenschaftler einige wichtige konkrete Hinweise für die Arbeit der Abwassernetzbetreiber herauskristallisiert, mit denen sich so manche Probleme in der Praxis mit zum Teil recht einfachen Maßnahmen beheben lassen:- Produktauswahl: Große Bandbreite der Ergebnisse unter schwierigen Betriebsbedingungen
Während der Sieger im IKT-Warentest bei sämtlichen Prüfungen (Klarwasser, Schmutzwasser, mit/ohne Betriebsbelastungen) gute Ergebnisse erzielte, wiesen die übrigen Produkte deutlich erkennbare Schwächen auf. Gerade bei den im Test angestrebten geringen Durchflussmengen (25 und 10 l/s) hatten sie so ihre Schwierigkeiten, vor allem unter hohen Schmutzstoffkonzentrationen und Störkörper-Aufkommen. - Betriebsprobleme: Regelmäßige Wartung und Inspektion können vorbeugen
Nicht verzagen, wenn Sie eine der schlechter getesteten Drosseln haben! Denn: Sowohl die Laborprüfungen im Warentest als auch die In-situ-Untersuchungen zeigten, dass trotz mangelnder Robustheit der Drosselorgane viele Betriebsprobleme schon durch einfache Wartungs- und Inspektionstätigkeiten erkannt und behoben werden können. Dies betrifft insbesondere das händische Prüfen der Gängigkeit mechanischer Teile mit anschließender Reinigung. Die Inspektionsintervalle nach Herstellerangaben und SüwVO Abw NRW geben hier gute Anhaltspunkte und sollten unbedingt eingehalten werden. - Ursache für Probleme: Drosseleinrichtungen of t nicht nach den Regeln der Technik gebaut
Fast die Hälfte der in situ untersuchten Hotspots (im Betrieb auffällige Anlagen) zeigten deutliche Planungsfehler oder Fehler in der baulichen Umsetzung, zum Beispiel unzulässige Niveauunterschiede. Und dies, obwohl die Hersteller sowie die verfügbaren Regelwerke ausreichend Informationen für Planung, Bau und Betrieb von Drosseleinrichtungen bieten. Also: Regeln sind dazu da eingehalten zu werden. - Kalibrierung: Mit Fachkenntnis und individuellem Messkonzept Probleme lösen
Die Hotspot-Untersuchungen an problembehafteten Drosseleinrichtungen zeigten auch, dass Schwierigkeiten in der Kalibrierung meist mit entsprechendem Sachverstand und Einsatz spezieller Messtechnik überwunden werden konnten. Hier stellt sich grundsätzlich die Frage, ob höhere Anforderungen an die Sachkunde zur Drosselkalibrierung zu stellen sind.
Zentrale Bestandsaufnahme für besseren Überblick
Ein weiteres Problemfeld tat sich auf einer höheren Ebene auf: Derzeit ist in Nordrhein-Westfalen auf Landesebene nicht bekannt, welche Genauigkeit und Betriebssicherheit die Drosseln im Bestand besitzen. Dass im IKT-Warentest fünf der sechs untersuchten Drosselorgane schon bei vergleichsweise geringen Soll-Drosselabflüssen Unzulänglichkeiten aufwiesen, die sich negativ auswirken, lässt wasserwirtschaftliche Auswirkungen erwarten. Diese können allerdings nicht quantifiziert werden, solange Detailinformationen zu den verbauten Drosselorganen nur bei den Kommunen und Wasserverbänden vorliegen. Hier kann eine zentrale Bestandsaufnahme entsprechende Erkenntnisse liefern.Nächste Schritte: Sinnvolle Tests und Untersuchungen
Das Forschungsprojekt wirft ein Schlaglicht auf den Bau und Betrieb von Drosseleinrichtungen an Regenbecken. Vieles bleibt noch im Dunkeln. Um weitere wichtige Erkenntnisse zu gewinnen wären nach Ansicht der Forscher zum Beispiel Kalibrierprüfungen unter winterlichen Einflüssen (Winterdienst mit Streusalz, Sole etc.) sinnvoll – und natürlich ein Vergleich zum Sommer. Darüber hinaus empfiehlt sich der Test weiterer Produkte aus dem großen Marktangebot für Drosselorgane mit dem Prüfprogramm des Warentests, um einen Wettbewerb auf hohem technischem Niveau zu fördern. Auch können Drosselorgane gleicher Bauart wie die bereits untersuchten jetzt mit höherem Drosselabfluss (>25 l/s) getestet werden, um weitere Aussagen zu deren Leistungsspektrum zu erhalten.
Zusätzlich sollten weitere Kenntnisse zum Betriebsverhalten von Drosseleinrichtungen gewonnen und zentral erfasst werden. Der Forschungsbericht enthält Checklisten, anhand derer das Betriebspersonal maßgebliche Informationen über Bestandsanlagen aufnehmen kann. Auch ein Abgleich mit den Regelwerksanforderungen ist damit möglich.Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts wurden auch beim NRW-Umweltministerium mit Interesse wahrgenommen. Sie verschwinden nicht ungelesen in irgendeiner Schublade. Bei der internen Vorstellung der Ergebnisse mit Vertretern des Lenkungskreises, des Umweltministeriums und des IKT wurde der Handlungsbedarf deutlich. Man darf gespannt sein, was das Ministerium in Zukunft aus diesen Erkenntnissen macht.
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Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Markus Gillar
Projektleiter
Telefon: 0209 17806-46
E-Mail: gillar@ikt.de
Marcel Goerke, M.Sc.
Leiter Prüfstelle für Durchflussmessung
Stellvertretender Projektleiter
Telefon: 0209 17806-34
E-Mail: goerke@ikt.de
IKT-Warentests: Produkte und Verfahren im Vergleich
Ziel der IKT-Warentests ist es, den Netzbetreibern zuverlässige und unabhängige Informationen über Eigenschaften von marktgängigen Produkten und Verfahren zu liefern. Angaben in Verfahrensbeschreibungen und Werbeinformationen der Anbieter werden durch den IKT-Warentest einer unabhängigen und neutralen Prüfung unterzogen.Ein IKT-Warentest wird immer durch eine Gruppe von Netzbetreibern begleitet, dem sogenannten Lenkungskreis. Dieser Lenkungskreis entscheidet in regelmäßigen Sitzungen über
- die Auswahl von Produkten beziehungsweise Verfahren für die erste Testreihe
- die Bau- beziehungsweise Instandhaltungsaufgabe für den Einsatz der Produkte oder Verfahren im Test
- die maßgeblichen Leistungsziele und Qualitätsanforderungen
- den Umfang und die Ausrichtung des Prüfprogramms
- den Informationsaustausch mit den Produkt- beziehungsweise Verfahrensanbietern
- die Bewertung und die Veröffentlichung der Ergebnisse
Die Prüfungen führt das IKT als unabhängiges Institut durch und dokumentiert die Ergebnisse. Das IKT ist im Rahmen der Prüfung insbesondere verantwortlich für die ingenieurtechnische Entwicklung und Umsetzung der Prüfaufbauten und des Prüfprogramms. Diesbezügliche Entscheidungen werden in unmittelbarer Abstimmung mit dem Lenkungskreis getroffen.
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