Goldener Kanaldeckel 2015: Die Laudationes
1. Platz: Dipl.-Ing. Manfred Fiedler, Göttinger Entsorgungsbetriebe
Projekt: Kanalsanierung in Göttingen
Die Kanalsanierungsstrategie in Göttingen ist mit der unverkennbaren und prägenden Handschrift von Manfred Fiedler verknüpft. Die Strategie und die Art und Weise der Umsetzung finden weit über die Grenzen Göttingens hinaus Beachtung. Das, was in Göttingen passiert, ist nicht nur Gegenstand intensiver Fachdiskussionen, es entspricht auch in zentralen Punkten wie Bürgerfreundlichkeit, Innovation und Umweltschutz den Vergabekriterien des „Goldenen Kanaldeckels“.
Zu den „Markenzeichen“ der Göttinger Strategie gehören unter anderem die konsequente Einbeziehung der privaten Grundstücksentwässerungsanlagen in das Sanierungskonzept und dessen bürgerfreundliche Umsetzung oder die Forderung nach der tatsächlichen Dichtheit der Entwässerungsanlagen und deren Überprüfung nach der Sanierung.Besonders hebt die Jury jedoch in ihrer Bewertung den Einfluss auf technische Innovationen und deren Weiterentwicklung hervor. In Göttingen wurde die Industrie von den Entsorgungsbetrieben angestoßen und herausgefordert, bedarfsorientiert und sehr konkret technische Lösungen zu entwickeln. Im Ergebnis entstanden Technologien und Produkte, die sich am Göttinger Anforderungsprofil orientieren und die heute von Kanalnetzbetreibern in Deutschland und darüber hinaus eingesetzt werden. Auf diese Weise wurde von Göttingen aus der Markt, beispielsweise im Bereich der Kunststoffrohre für Abwassersysteme, auf dem Gebiet der Zustandserfassung oder was den Einsatz von Flüssigboden betrifft, beeinflusst und mitgestaltet.
Der Erfolg gibt Göttingen recht. Das Kanalsanierungskonzept mit seinen neuen Ideen und Ansätzen ist in den letzten 25 Jahren zu einem Drittel abgearbeitet worden. Dabei haben sich die Weichenstellungen der Vergangenheit auch mit Blick auf den Umweltschutz bestätigt. So konnten durch die Reduzierung des Fremdwassers um 50 Prozent und die Einführung des 100-prozentigen Trennsystems inzwischen sechs von acht Regenüberläufen geschlossen werden. Bis zum Jahr 2024 wird auch der letzte Regenüberlauf geschlossen. Danach werden 100 Prozent des Schmutzwassers bei jeder Wetterlage auf der Kläranlage vollständig gereinigt.
Dieses Vorgehen in Göttingen ist untrennbar mit der Person und mit dem Engagement von Manfred Fiedler verbunden. Er hat dem Göttinger Kanalsanierungskonzept ein Gesicht und eine unüberhörbare Stimme verliehen. Er hat konzeptionelle und technische Innovationen auf den Weg gebracht und offensiv in die Fachwelt kommuniziert. Er hat damit über die Grenzen Göttingens hinaus für Diskussion und Bewegung in der Abwasserbranche gesorgt und Strategien in anderen Kommunen positiv beeinflusst. Für seinen persönlichen Einsatz erhält Manfred Fiedler bei der Verleihung des „Goldenen Kanaldeckels“ in diesem Jahr den ersten Preis.
2. Platz: Ing. Erik Laurentzen, Stadt Arnheim / Niederlande
Projekt: Sanierung von Großprofilen am Beispiel des „Moerriool“
Ich möchte die Laudatio mit einem Zitat des Preisträgers beginnen: „Es ist mittlerweile mein Baby geworden, auf das ich wirklich stolz bin.“Ein Satz, welcher das Engagement und die Begeisterung des Preisträgers für sein Projekt, sein Baby, zum Ausdruck bringt. Ein Satz, der zudem unterstreicht, dass der Erfolg eines Projektes nicht nur für einen selbst von Nutzen ist, sondern, und das konkret auch in diesem ganz besonderen Fall, für das Gemeinwohl einer Gesellschaft. Wir freuen uns deswegen ganz besonders, dass wir zu diesem Anlass Erik Laurentzen ganz herzlich für seinen persönlichen und stets enthusiastischen Einsatz gratulieren.
Warum haben wir Erik Laurentzen für einen solchen Preis vorgeschlagen? Und warum sind wir nun der Ansicht, dass der Preis an den Richtigen gegangen ist?
Für viele Gemeinden und Abwassernetzbetreiber in den Niederlanden, aber auch in Deutschland, ist Erik Laurentzen eine Art Pionier und Macher im klassischen Sinne. Viele Menschen haben Erik Laurentzen als sehr engagierten Ingenieur kennengelernt, der zur Erreichung seiner Ziele sogar holländische Medien wie das Fernsehen und Radio hinzugezogen hat. Stets die Balance zu halten zwischen politischen Entscheidungen, theoretischem Hintergrundwissen und praxisorientiertem Handeln war nur eine der Schwierigkeiten seines „Babys“. Doch gerade sein strukturiertes und systematisch problemorientiertes Auftreten erleichterten es ihm, die Komplexität seines Projektes national sowie international aufzuzeigen.
Was ist nun dieses Baby, welches Erik Laurentzen hegt und pflegt und in welches er sehr viel Herzblut hineingesteckt hat?
Das im Jahre 1870 gebaute Sammlersystem Moerriool in Arnheim gilt als ältester Kanalabschnitt in Arnheim und befindet sich seit jeher in einem äußerst schlechten Zustand. Der Moerriool ist jedoch für Arnheim von enormer Bedeutung, denn in Zeiten des Klimawandels sind riesige Regenwassermassen von bis zu 20.000 Kubikmeter pro Stunde sicher zu entsorgen. Ein Grund mehr also, den maroden Kanal für viele weitere Jahre sicher nutzen zu können.
Wie soll das aber genau funktionieren? Im Zeitalter modernster Technik müsste man denken: Kein Problem. Doch das System Moerriool ist anders: Ein Kanaltyp, der so in dieser Form nur sehr selten auf der Welt existiert. Erfahrungen und Kenntnisse in der Sanierung solcher Systeme: Mangelware. Erik Laurentzen machte es sich zur Aufgabe, das System Moerriool zu eine Art Versuchslabor zu machen. Aktuelle Techniken, hochmoderne Verfahren, internationale Experten – Erik Laurentzen hat wahrlich nichts ausgelassen, das Maximum aus dem System Moerriool herauszuholen. Wohlgemerkt mit dem Ziel, das Gemeinwohl der Gesellschaft langfristig zu schützen.
Der Kanal wurde mit hochmodernen Lasern vermessen und schließlich dokumentiert. Einzelne Abschnitte wurden mit unterschiedlichen Sanierungsverfahren bearbeitet. Es wurden Prüfungen mit dem sogenannten MAC-System des IKT durchgeführt. Ja selbst eine wissenschaftliche Begleitung durch Prof. Thewes, Inhaber des Lehrstuhls für Tunnel- und Leitungsbau der Ruhr-Uni Bochum, zeigte die Risiken dieses Projektes auf.
Erik Laurentzen beweist, dass der Kanal „Moerriool“ mit allen Mitteln auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden kann und auch muss. Das Versuchslabor „Moerriool“ als Spielfeld für neueste Techniken und Verfahren – Ein Wissenszugewinn für jeden Betreiber.
Fassen wir zusammen: Erik Laurentzen zeichnet sich aus durch seinen hervorragenden Einsatz und nicht zuletzt durch seine fachliche Kompetenz. Besonders erwähnenswert finden wir jedoch, dass er es schafft, seine eigene Begeisterung für das Projekt Moerriool so lebhaft zu vermitteln und damit das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken – über die Grenzen hinweg.
Vielen Dank für Ihren Einsatz uns und allen anderen gegenüber. Wir hoffen, dass Sie dieser Preis motiviert, so weiter zu machen, wie bisher und dass Ihr „Baby“ Sie auch noch für die nächsten Jahre begeistern kann.
3. Platz: Holger Hesse, Stadtentwässerung Arnsberg
Projekt: Optimierung der Abflussleistung sowie Reduzierung von Reinigungsarbeiten eines Sonderbauwerkes am Beispiel „Düker Jägerbrücke“ in Arnsberg
Die Jury zeichnet Holger Hesse aus für eine besonders wirksame Problemlösung, die durch Kombination von Techniken aus unterschiedlichen Fachbereichen entstanden ist und mit geringem Aufwand realisiert werden konnte.Zum Hintergrund: Die Aufgabe des Sonderbauwerks „Düker Jägerbrücke“ besteht darin, Abwasser aus dem Stadtteil „Alt Arnsberg“ über einen Düker samt Sonderbauwerk unterhalb des Gewässers „Ruhr“ zu dem sich anschließenden Freigefälle zu befördern. Im Bauwerkszulauf kam es vor der Arbeit des Preisträgers sehr schnell zu starken Verschmutzungen durch Absetzung von Feststoffen und Fetten. Diese Verschmutzungen haben sich bis zum Dükerabfluss schichtweise aufgebaut und so die Leistungsfähigkeit des Dükers reduziert. In der Folge wurden in kurzen Abständen aufwändige und aufgrund der Bauwerkstiefe von 7 Meter gefährliche Reinigungsarbeiten notwendig. Zusätzlich erhöhte sich hierdurch das Risiko der Einleitung von Abwasser über einen Notüberlauf in die Ruhr.
Die unkomplizierte technische Lösung des Preisträgers besteht darin, dem Abwasser des Sonderbauwerks kontinuierlich Luft zuzuführen, so dass über die gesamte Bauwerkshöhe von mehr als 7 Meter eine Durchmischung und Belüftung des Abwassers sichergestellt ist. Der Lufteintrag erfolgt durch einen Kompressor über eine 1/2-Zoll Kupfer-Leitung, in die 1 Millimeter große Öffnungen in Abständen von etwa 10 Zentimeter eingebracht wurden. Durch die Lufteinperlung wird die Absetzung der Abwasserinhaltsstoffe verhindert und die Leistungsfähigkeit des Sonderbauwerks bleibt erhalten.
Durch das erfolgreich umgesetzte Projekt konnte der Reinigungszyklus für das Bauwerk von 3 bis 4 Wochen auf 6 Monate reduziert werden; die entsprechenden Kosten wurden um etwa 75 Prozent verringert. Das neue Intervall ist ebenso in Hinblick auf die Betriebssicherheit von Vorteil und der Lufteintrag reduziert zusätzlich die Entstehung von Gerüchen. Darüber hinaus wird die Abflussleistung des Dükers deutlich erhöht und die Gefahr der Einleitung des Abwassers über den Notüberlauf in die Ruhr verringert.
Herrn Hesse ist es gelungen – durch kluge Kombination von Techniken aus unterschiedlichen Fachbereichen – für ein vorhandenes Problem eine technische Lösung zu schaffen, die mit geringem Aufwand umsetzbar ist. Da die geschaffene Lösung Vorteile bietet in Bezug auf Arbeitssicherheit, Umwelt, Bürgerfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit und von anderen Kommunen ggf. übertragen werden kann, ist für die Jury die Bewerbung von Herrn Hesse preiswürdig. Nach dem Motto: „Die einfachsten Lösungen sind häufig die besten“.
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