Hausanschlüsse im Auftrieb: Erfolg der Fremdwassersanierung in Gefahr
Wenn in Fremdwassergebieten durch den immer höheren Abdichtungsgrad der öffentlichen wie auch der privaten Abwasserleitungen der Dränage-Effekt der Kanalisation wegfällt, kann in der Folge der Grundwasserspiegel ansteigen. Die zum größten Teil mit Luft gefüllten Rohre bekommen dann Auftrieb und können tatsächlich in Bewegung geraten. Schlauchliner können reißen oder brechen. Das gefährdet den Erfolg der Fremdwassersanierung.
Lebensdauer von Liner-Sanierungen in Frage gestellt
Im IKT-Warentest „Hausanschluss-Liner“ passierte das an 8 von 30 Liner-Rohr-Systemen im IKT-Großversuchsstand. Erhebliche Fremdwassereinträge können dann die Folge sein. Diese innerhalb kürzester Zeit eintretenden Effekte stellen auch die erwartete Lebensdauer der Sanierung von mehreren Jahrzehnten in Frage.
Zielkonflikt bei der Fremdwassersanierung
Bei der Fremdwassersanierung besteht offenbar ein Zielkonflikt: zwischen der angestrebten Verklebung des Liners mit dem Altrohr und der notwendigen Abwinkelbarkeit der Rohrverbindungsbereiche unter Auftrieb. Bei Linern, die einen festen Klebeverbund mit dem Rohr eingehen, entsteht ein längsbiegesteifes Gesamtsystem. Dieses kann bei Überstau durch Grundwasser die Biegebeanspruchungen durch Auftriebsbelastungen möglicherweise nicht aufnehmen – und reißt hauptsächlich in den Rohrverbindungsbereichen vor Bögen und Abzweigen.
IKT-Workshop „DIN 1986-30 – anerkannte Fortbildung für Berater und Sachkundige“
6.-7. Februar 2017 in Gelsenkirchen
alternative Termine:
7.-8. Juni 2017 in Gelsenkirchen
11.-12. Dezember 2017 in Gelsenkirchen
Programm und Anmeldung
Steif und fest gleich unflexibel und anfällig?
Wenn Harzaustritt gerade in diesen Rohrverbindungsbereichen zu einer stellenweise dünneren Liner-Wand führt, treten Schäden noch viel eher auf. Auch eine Verzahnung des Liners kann für eine Dehnungsbehinderung und damit übergroße partielle Zugdehnungen sorgen, die Schäden wahrscheinlicher machen. Schon geringfügige Risse im Liner-Material können dann bei entsprechendem Außenwasserdruck zu erheblichem Wassereintritt führen, der das Sanierungsziel Infiltrationsdichtheit vollständig in Frage stellt.
Begleitende Berechnungen zeigten, dass die Leitungen nicht einmal im Grundwasser liegen müssen, um in Bewegung zu geraten. Denn ansteigendes Grundwasser kann auch den Boden unterhalb der Rohre anheben.
Ergänzende Versuche für mehr Klarheit
Für ein besseres Verständnis der Auftriebseffekte hat das IKT ergänzende Versuche im Maßstab 1:1 an Hausanschlussleitungen in einer Grundwasserwechselzone durchgeführt. Dabei wurden die Bewegungen der eingebauten Rohre unter schwankenden Grundwasserständen untersucht, um Auftriebsrisiken beim Einsatz von Liner-Sanierungen an Hausanschlüssen besser bewerten zu können.Für die Versuche wurden PVC-Rohrleitung DN 200 zwischen zwei Schächten auf halber Höhe im IKT-Großversuchsstand eingebaut. Die Schachtsohle lag somit in einer Tiefe von 3 Metern ab Oberkante Versuchstand. Bewegungen des Rohrs wurden relativ zu den Schachtbauwerken erfasst, Bewegungen der Schächte relativ zum Versuchsstand.
Computerberechnungen zur Simulation weiterer Situationen
Das Institut für Geotechnik (IGtH) der Leibniz Universität Hannover führte parallel zu diesen Versuchen numerische Simulationen durch. An einem Finite-Elemente-Modell (FE-Modell) wurde zunächst die Größenordnung der zu erwartenden Hebungen der beteiligten Komponenten abgeschätzt. In einem weiteren Schritt wurden die Messergebnisse aus den Versuchen mit den Berechnungen des FE-Modells verglichen und das FE-Modell kalibriert. Ausgehend vom kalibrierten Modell ist es idealerweise möglich, das tendenzielle Verhalten von beliebigen Rohrleitungen und Anschlüssen bei Grundwasserspiegeländerungen zu simulieren und so Aussagen über deren Gefährdung zu treffen.
Grundwasser bringt Bewegung in Rohre, Schächte, Boden
Die erste Flutung des Versuchsstands verursachte bei den Schachtbauwerken zunächst eine Senkung von etwa 1,5 Millimeter. Dies führen die Forscher auf das hohe Eigengewicht des Schachts in Verbindung mit Verdichtungseffekten des Bodens bei Erstsättigung zurück. Nach der ersten Wassersättigung des gesamten Versuchsstands beobachteten die IKT-Wissenschaftler bei weiteren Flutungen Hebungen an den Schachtbauwerken von etwa 3 Millimeter bei einem Grundwasserstand von 0,5 Meter unter Geländeoberkante.
Die Messwerte für die Bewegung der Rohre überraschten die Wissenschaftler zunächst: Sie deuteten auf eine geringfügige Senkungen der Rohrleitung hin. Referenzpunkt war allerdings die Schachtoberkante. Die Rohre hoben sich also nur ein kleines bisschen weniger an als die Schächte. Die Messungen wie auch die Berechnungen bestätigten die Beobachtungen aus dem Warentests.Grundsätzlich lassen sich die im Rahmen der Simulation beobachteten Hebungen in zwei Größen einteilen:
Auftrieb der einzelnen Komponenten: Da Schacht und Rohr jeweils gegen Wasser abgedichtet sind, erfahren sie beim Eintauchen in das Wasser einen Auftriebseffekt, der dem Volumen des verdrängten Wassers entspricht. Ist die entsprechende Komponente vollständig eingetaucht, so ist der Auftrieb unabhängig von der Tiefe unter Wasser konstant.
Auftrieb des Bodens: Durch den ansteigenden Wasserspiegel reduzieren sich die effektiven Spannungen im Boden, so dass der Bodenkörper sich entspannen kann und entsprechende Hebungen erzeugt. Dabei werden die im Boden liegenden Komponenten (Schacht und Rohr) ebenfalls mit angehoben beziehungsweise hoch gedrückt. Hierfür ist es unerheblich, ob der Grundwasseranstieg über- oder unterhalb von Schacht und Rohr stattfindet. Zusätzliche Hebungen finden in jedem Fall statt und sind nur abhängig von der Wasserspiegeldifferenz.
Die Gesamthebungen setzen sich somit aus dem Auftrieb des Bodens und der darin liegenden Komponenten zusammen. Die Größe des jeweiligen Anteils an der Hebung ist dabei abhängig von der Wasserspiegeldifferenz, der Lage der Komponenten und deren eigenem Auftrieb.
Kein Problem, wenn sich alle Bauteile gleich bewegen
Es kommt durch den Anstieg des Grundwasserspiegels tatsächlich zu nicht unerheblichen Hebungen. Die Berechnungen zeigten jedoch auch, dass auf vergleichbarer Ebene gegründete Bauteile (Schächte und Rohre) infolge eines Grundwasseranstiegs auch vergleichbare Bewegungen vollziehen.
Hauseinführungen, Bögen, Abstürze besonders kritisch
Problematisch wird es dann, wenn das eine Ende einer Leitung an einem Objekt fixiert ist, das diese Bewegung nicht mitmacht. Zum Beispiel an einem Haus. Auch vertikale Bögen oder Abstürze in den Leitungen sind besonders kritisch – sogar oberhalb des Grundwasserspiegels. Auch Hauseinführungen oder Anschlüsse an tief gegründeten Schachtbauwerken können wie Fixierungen wirken und zu Problemen führen. Daher sind gelenkige Anschlüsse an Bauwerken von großer Bedeutung.Ein Verlust dieser Gelenkigkeit, beispielsweise durch die Sanierung mit einem Schlauchliner, kann auch bei Grundwasseranstieg unterhalb des Rohrs zu außergewöhnlichen Belastungen des Liners führen. Das sollte bei der Fremdwassersanierung beachtet werden. Also: Immer schön flexibel bleiben!
Zum Nachlesen:
Forschungsbericht „Entwicklungsunterstützende Untersuchungen zur „Infiltrationsdichtheit“ bei Werkstoffwechseln bzw. Übergängen insbesondere im Zusammenhang mit der Fremdwassersanierung – Phase II: Vergleichende Untersuchungen an Werkstoffwechseln und Übergängen“
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Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Martin Liebscher
Telefon: 0209 17806-23
E-Mail: liebscher@ikt.de
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Das neutrale und unabhängige IKT ‑ Institut für Unterirdische Infrastruktur prüft in vergleichenden Warentests Produkte und Verfahren unter Labor- und Praxisbedingungen auf Herz und Nieren. Jeder Warentest wird von einer Gruppe von Netzbetreibern getragen. Die Mitglieder dieser Gruppen – Lenkungskreise genannt – profitieren unmittelbar durch den direkten Einblick in die Prüf- und Verfahrensabläufe und den fachlichen Austausch mit anderen Netzbetreibern.
Entscheidungen über Testinhalte, -verfahren und -kriterien trifft der jeweilige Lenkungskreis. Auch über die abschließenden Bewertungen entscheiden die Netzbetreiber gemeinsam in diesen Steuerungsgremien. So ist sichergestellt, dass die Tests praxisnah, neutral und unabhängig von Firmeninteressen verlaufen.Die Ergebnisse liefern den Netzbetreibern solide und verlässliche Informationen über Stärken und Schwächen der am Markt angebotenen Produkte und Verfahren. So können sie ihre Kaufentscheidungen auf Basis von harten Fakten statt allein aufgrund der Herstellerwerbung treffen. Gleichzeitig bieten die IKT-Warentests den Anbietern Anhaltspunkte zur Verbesserung der getesteten Produkte und Verfahren und damit auch zur Stärkung ihrer Marktstellung. Davon profitiert letztlich die gesamte Branche.
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