Kanäle vor Wurzeln schützen – und Wurzeln vor Kanälen
Ämterübergreifender Schutz von Bäumen und Leitungen
Das neue DWA-M 162 enthält ein „Muster für eine Rahmenvereinbarung“ zwischen den Ämtern, die für Kanalisation, Straßenraum und Grünflächen zuständig sind, über Auskunftspflichten, Schutzmaßnahmen und Kostenregelungen bei:
- Baumpflanzungen im Bereich vorhandener unterirdischer Leitungen
- Leitungsverlegung oder -sanierung im Bereich vorhandener Bäume
Intakte Rohrverbindungen nicht grundsätzlich wurzelfest
Das neue DWA-M 162 greift aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zum Wurzeleinwuchs auf: „Baumwurzeln wachsen nicht nur in defekte oder undichte Abwasserleitungen und deren Verbindungen, sondern auch in Rohrverbindungen, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und dicht sind, aber den Wurzeln keinen ausreichenden Widerstand entgegenstellen.“ Weiter heißt es: „Wurzeln können in kleinste Zwischenräume und Öffnungen einwachsen. Direkte mechanische Messungen zeigen, dass der Wurzeldruck 5 bar bis 12 bar erreichen kann“.Haftung und Schadensersatz
Die im DWA-M 162 beschriebene Fähigkeit von Wurzeln, im Einzelfall in intakte Rohrverbindungen wachsen zu können, berührt die bisherige Rechtsprechung. Denn bisher galt dort: Eine Wurzel habe keine „Bohrfunktion“ und könne nicht in dichte Rohrverbindungen einwachsen. So ist nach Ansicht der Richter des OLG Düsseldorf ein Wurzeleinwuchs nur bei entsprechender Vorschädigung der Leitung möglich, sodass der Aufwendungsersatz in den meisten Fällen reduziert werden müsste (OLG Düsseldorf, Az. I-22 U 6/07, 22.6.2007). Es bleibt zu hoffen, dass die neuen Erkenntnisse bald bis in die Gerichte durchdringen.
Der zuletzt Handelnde haftet
Zur Haftung im Schadensfall heißt es im DWA-M 162: „Können eindeutige Einbau- oder Pflanzfehler nicht nachgewiesen werden, ist in der Regel davon auszugehen, dass der Schaden dem zuletzt Handelnden zugewiesen wird, d.h. dem Netzbetreiber oder dem Baumeigentümer.“ In der Praxis der Rechtsprechung ist bisher häufig der Eigentümer des Baumes verantwortlich dafür, dass der Wurzeleinwuchs als primäre Störung beseitigt wird.Abzug Neu für Alt
Ein Abzug „neu für alt“ kann erfolgen, wenn Wurzeleinwuchs eine Sanierung nötig macht. Der Abzug wird häufig prozentual geschätzt, das heißt: Wie lange hätte die Leitung ohne Wurzelschaden noch bestanden (zum Beispiel 35 Jahre), im Vergleich zu der hypothetischen Lebensdauer einer sanierten Leitung (zum Beispiel 70 Jahre). (BGH, Az. V ZR 136/11, 13.1.2012)
Kostenteilung 50:50
Bei Kostenteilung werden die Betriebserfahrungen zu der Leitung berücksichtigt. Dahinter steckt die Annahme, dass die bisher gezeigte Nutzungsdauer der Leitung (zum Beispiel 45 Jahre) noch einmal wiederholt werden könnte, da die Leitung bis zum Wurzeleinwuchs ausreichend Qualität im Betrieb bewiesen hat.
Anforderungen an die Sachbearbeitung
Technische Regelwerke für den Einklang von Bäumen und Leitungen bei Planung und Bau:
- DIN 1998 – Unterbringung von Leitungen in öffentlichen Flächen
- DIN 18920 – Schutz von Bäumen bei Baumaßnahmen
- DWA-M 162 – Lösungsansätze für Baumschutz bei Planung, Bau und Betrieb von Leitungen
Das IKT hat einen Mitarbeiter in den Auschuss zur Erstellung des DWA-M 162 entsandt.
Ansprechpartner
- Dipl.-Ing. Marco Schlüter (Kommunales Netzwerk)
Telefon: 0209 17806-31
E-Mail: schlueter@ikt.de - Dipl.-Ing. Christoph Bennerscheidt (Thema Wurzeleinwuchs)
Telefon: 0209 17806-25
E-Mail: bennerscheidt@ikt.de
Keine Kommentare