Rohre vor Wurzeln schützen – und Wurzeln vor Rohren
Und nicht selten bietet zum Beispiel eine Abwasserleitung genau den Raum, den eine Baumwurzel braucht. Schnell ist der Kanal dann so verwurzelt, dass er verstopft. Sogar intakte Leitungen sind häufig nicht vor Wurzeleinwuchs geschützt. Denn Wurzelspitzen können ernorme Drücke aufbauen, und die Dichtungen der Rohre setzen dem oft nicht genug Widerstand entgegen. Das haben Wissenschaftler des IKT herausgefunden.
Hinzu kommt, dass die Kanalisation im Schnitt immer älter wird. Gut zwei Drittel aller Kanäle sind älter als 25 Jahre – und auch Abwasserleitungen werden mit dem Alter gebrechlich. Schadhafte Kanäle laden Bäume regelrecht ein, in ihnen Wurzeln zu schlagen. Wird eine Sanierung oder ein Neubau von Leitungen in offener Bauweise durchgeführt, ist das die Chance, mit begleitenden Maßnahmen Leitungen vor Wurzeln zu schützen und Bäumen ausreichend Wurzelraum zu lassen.Das IKT bietet zu diesem Themenkomplex immer wieder interessante Lehrgänge und Tagungen an. Mehr dazu weiter unten oder hier.
Wurzelwachstum lässt sich lenken
Die Gründe für das Einwachsen von Baumwurzeln in Abwasserleitungen und Kanäle werden durch das IKT gemeinsam mit weiteren Partnern, unter anderem mit dem Lehrstuhl für Biodiversität und Evolution der Pflanzen an der Ruhr-Universität Bochum, bereits seit vielen Jahren erforscht. Eine wichtige Erkenntnis: Wurzeln brauchen Platz und Sauerstoff – sie wachsen am liebsten in lockerem, gut belüftetem Boden. Oder eben in Rohren, wo es jede Menge Platz und Luft gibt.
Naheliegend ist natürlich, die Dichtungen der Rohre widerstandsfähiger gegen Wurzeleinwuchs zu machen. Die Dichtheit hängt dann allerdings auch vom fachgerechten Einbau ab. Und: Treten später an anderer Stelle am Rohr Schäden auf, ist die Wurzeldichtheit trotzdem dahin.Ein anderer Ansatz versucht, den gesamten Leitungsgraben möglichst unattraktiv für Wurzelwachstum zu machen. Dabei hilft beispielsweise eine Bettung aus porenarmen Verfüllstoffen wie dem so genannten Flüssigboden. Wenn für die Bäume dann noch attraktive, porenreiche Bodenbereiche entlang des Leitungsgrabens geschaffen werden, kann fast schon nichts mehr schief gehen.
Aktive Schutzmaßnahmen
Es gibt noch eine ganze Palette weiterer Schutzmaßnahmen, die Fachleute in aktive und passive Maßnahmen unterteilen. Die Berücksichtigung aktiver Schutzmaßnahmen wird insbesondere für die Neupflanzung von Bäumen in der Nähe eines Leitungsbestands empfohlen. Solche Maßnahmen wie Pflanzgruben, Wurzelgräben, Bodenbelüftung und Trennelemente definieren Bereiche, in denen das Wachstum von Wurzeln gefördert wird – in der Hoffnung, dass es den Wurzeln dort besser gefällt als in der Leitungszone.
Passive Schutzmaßnahmen
Passive Schutzmaßnahmen sind solche, die im direkten Bereich von unterirdischen Leitungen beziehungsweise Leitungsgräben ergriffen werden. Der geeignete Zeitpunkt ist bei Neubau oder Erneuerung der Leitungen, da dann die Straße sowieso schon aufgebrochen ist. Die Wahl der Schutzmaßnahme hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. Zur Auswahl stehen die oben genannten wurzelfesten Rohrverbindungen, der schon erwähnte Einsatz porenarmer Verfüllstoffe, aber auch der Einbau von Mantelrohren (Schutzrohren) um die Leitung. Ebenso können Platten und Folien in den Leitungsgraben eingebaut werden, um Wurzeln und Rohre auf Distanz zu halten.Mindestabstand kommt aus der Mode
Bisher wurde bei Baumpflanzungen in der Nähe von Ver- und Entsorgungsleitungen zur Einhaltung von Mindestabständen geraten. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass sich Wurzeln nur selten an solche Regeln halten. Und wenn entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen werden, sind Rohre auch bei sehr geringem Abstand noch sicher vor Wurzeleinwuchs.
Ist der Baum schon da, wenn eine Leitung verlegt wird, sollte allerdings zum Schutz des Baums ein gewisser Abstand – mindestens 2,5 Meter von der Stammachse – eingehalten werden. Dabei ist zu bedenken, dass dort, wo Wurzeln gekappt werden, verstärktes Wurzelwachstum einsetzt, das die frisch verlegten Leitungen gefährden kann. Der Abstand darf also gerne etwas großzügiger gewählt werden.Hilfreiche Richtlinie
Diese Erfahrungen sowie die Ergebnisse diverser Forschungsvorhaben sowie weiterer Regelwerksarbeit sind in das Merkblatt DWA-M 162 „Bäume, unterirdische Leitungen und Kanäle“ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) eingeflossen. Textgleich sind erschienen das DVGW-Merkblatt GW 125 und das Merkblatt FGSV Nr. 939.
In dem Merkblatt werden viele wissenschaftliche Hintergründe zur harmonischen Nutzung des unterirdischen Raums kompakt dargestellt. Es enthält außerdem zahlreiche normative Verweise mit Bezug auf den Leitungsbau und zur Vegetationstechnik. Ferner werden Hinweise zu Schäden an Bäumen und unterirdischen Leitungen, zu den bau- und vegetationstechnischen Grundlagen, zur Planung in Neubau und Bestand, zum Bau und Einsatz von Schutzmaßnahmen sowie zu Vereinbarungen und Regelungen zwischen den betroffenen Fachbereichen und Unternehmen gegeben.
Weiterbildung
Das IKT bietet zu diesem Themenkomplex in nächster Zeit informative Veranstaltungen an:
Forum „Niederschlagswasser, Vegetation & Infrastruktur“
22.-23 April 2015
Programm und Anmeldung
Ausstelleranmeldung
Lehrgang „Sachkundiger für Vegetation und unterirdische Infrastruktur“
27.-29. April 2015 (optionale Prüfung: 22. Mai 2015)
26.-28. Oktober 2015 (optionale Prüfung: 6. November 2015)
Programm
Anmeldung
weitere IKT-Veranstaltungen zu vielen interessanten Themen der unterirdischen Leitungsinfrastruktur
Ansprechpartner
- Dipl.-Ing. Christoph Bennerscheidt
Telefon: 0209 17806-25
E-Mail: bennerscheidt@ikt.de - Marcel Goerke, M.Sc.
Telefon: 0209 17806-34
E-Mail: goerke@ikt.de
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