IKT-Warentest „Flüssigböden“: Lenkungskreis läutet entscheidende Phase ein
Flüssigboden = flüssiger Boden?
Der Begriff „Flüssigboden“ wird gern allgemein für „Zeitweise fließfähige, selbstverdichtende Verfüllbaustoffe“ – kurz ZFSV – verwendet. Dabei handelt es sich bei Flüssigboden um eine Untergruppe der ZFSV. Alle diese Verfüllbaustoffe, ob Flüssigboden oder eines der anderen Materialien aus der Gesamtgruppe, bieten in vielen Anwendungsfällen Vorteile gegenüber der klassischen Verfüllung.
Insbesondere bei schwer zugängigen Bereichen oder kreuzenden Leitungen, bei denen ein herkömmlicher Einbau und korrekte Verdichtung kaum möglich sind, erreichen ZFSV alle Winkel und Ecken und sorgen somit für die Herstellung einer hohlraumfreien und homogenen Verfüllung. Die Verfestigung erfolgt normalerweise innerhalb eines Tages, so dass die Oberfläche wieder betreten und kurze Zeit später auch schon wieder überbaut werden kann. Die Endfestigkeit entspricht dabei gut verdichtetem Erdreich. Daher ist das Material jederzeit wiederaushubfähig, falls man doch einmal wieder an die Leitungen und Kanäle ran muss.
Bodeneigenschaften nach Wunsch
Um Ressourcen zu sparen, lässt sich meist der Aushubboden verwenden. Alternativ können auch andere Böden, Sand aus der Kiesgrube oder Recycling-Material zugesetzt oder im Austausch verwendet werden. Um das Material zu ZFSV aufzubereiten, werden noch Tonmineralien und Zusätze, der sogenannte Compound, und natürlich Wasser zugegeben. Hierdurch lässt sich eine große Bandbreite an gewünschten späteren Eigenschaften einstellen, so dass sich das Material nach dem Einbau idealerweise wie der umgebende Boden verhält und keinen „Fremdkörper“ darstellt. Vor dem Einsatz wird der Boden daher untersucht und auf seine Eignung geprüft, damit die Rezeptur auf die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden kann.Beim Einbau selbst sind allerdings, abweichend von der konventionellen Grabenverfüllung, einige zusätzliche Dinge wie zum Beispiel Auftriebssicherung und zeitabhängiges Ziehen des Verbaus zu beachten, die eine entsprechende Schulung beziehungsweise Erfahrung des Personals voraussetzen. Daher spricht man nicht nur von der Verwendung von ZFSV als Material, sondern in der Gesamtbetrachtung eher von einem Verfahren.
Crashkurs: Umgang mit Flüssigböden – Trend oder Chance?
- Flüssigboden – was ist das?
- Wo lohnt der Einsatz flüssiger Verfüllbaustoffe?
- Welche Grundsätze der Qualitätssicherung sind zu beachten?
- Welche Produkte gibt es?
26. September 2019 in Gelsenkirchen
Programm und Anmeldung
Ausführungsrisiken unklar
Aber noch sind viele Ausführungsrisiken unklar und noch zu wenige Ingenieurbüros und Bauunternehmen haben bereits Erfahrung in der Anwendung von ZFSV. Hier Licht in den dunklen Leitungsgraben zu bringen haben sich das IKT und eine Gruppe von Abwassernetzbetreibern auf die Fahnen geschrieben, die gemeinsam im IKT-Warentest die Eigenschaften von verschiedenen ZFSV unter die Lupe nehmen und vergleichen.
Projektleiter Martin Liebscher schilderte bei der Lenkungskreissitzung den Vertretern der zwölf beteiligten kommunalen Abwasserbetriebe, des Landesumweltamts NRW und der Projektpartner AGFW Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK und Hochschule Koblenz zunächst den aktuellen Stand des Projekts. So ist der Großversuchsstand, in dem die Laborversuche stattfinden werden, schon in Teilen vorbereitet. Und an einigen Baustellen in den beteiligten Kommunen haben IKT-Mitarbeiter bereits Verfüllungen mit ZFSV beobachten und dokumentieren können sowie Proben entnommen und analysiert. Weitere Baustellenuntersuchungen werden folgen.IKT-Spezialität:
Laborversuche im Maßstab 1:1
Dr. Mark Klameth, stellvertretender Projektleiter, stellte den Prüfaufbau für die Versuche im Maßstab 1:1 vor. Der 15 Meter lange, sechs Meter breite und sechs Meter tiefe Großversuchsstand des IKT wurde in fünf Kammern unterteilt, in denen dreieinhalb Meter tiefe Leitungsgräben geschaffen wurden. Darin werden bald jeweils zwei Schächte – einer aus Beton, einer aus Kunststoff – eingebaut, die mit einem Rohr DN300 verbunden werden. Mit Hilfe von Kraftmessdosen werden während und nach der Verfüllung die Auftriebskräfte der Schächte und des Rohrs gemessen.
Zusätzlich werden in die Leitungsgräben Elemente eingebaut, um das Ziehen des Verbaus zu simulieren und das Verhalten des ZFSV bei diesem Vorgang zu ermitteln. Mit Hilfe des MAC-Systems sollen zudem in zerstörungsfreien Prüfungen die Bettungsverhältnisse bestimmt werden.
Über das Frühjahr verteilt rücken dann die Verfahrensanbieter an, um die vorgegebenen Leitungsgräben mit ihrem flüssigen Verfüllmaterial zu fluten. Bei einer Führung durch die IKT-Versuchshalle verschafften sich die Lenkungskreismitglieder einen ersten Eindruck von den Einbauten im Großversuchsstand.
Schwerpunkte der Untersuchungen
Mit diesem IKT-Warentest möchten die IKT-Wissenschaftler in drei Bereichen Ergebnisse und Erkenntnisse liefern: Einbau, Betrieb und Zusatzinformationen. Im Fokus stehen dabei:
Einbau
- Fließfähigkeit – Verteilung im Graben
- Auftriebswirkung der Rohre und Schächte
- Leitungsumschließung bei Hauptrohr und kreuzenden Leitungen
- Begehbarkeit – Aushärtungs- und Abbindezeit
Betrieb
- Tragfähigkeit und Verformung des Rohrs, Bettungswirkung des Flüssigbodens
- Überbaubarkeit, Steifigkeit
- Setzungsrisiken – Schwind- und Schrumpfneigung
- Wiederaushubfähigkeit – Spatenlösbarkeit, Druckfestigkeit
- Umweltverträglichkeit und Aggressivität
Zusatzinfos
- Durchlässigkeit – Gas, Wasser, Wurzeln
- Ressourcenschonung
- Kosten
Teilnehmer gesucht: IKT-Warentest „Druckleitungen“ in Vorbereitung
Das nächste Warentest-Projekt ist schon in Vorbereitung: der neue IKT-Warentest „Sanierungsverfahren für Abwasserdruckleitungen“. Die früher verwendeten Rohrmaterialien sind anfällig und die Leitungen sind alt – ergo herrscht großer Sanierungsbedarf. Die Randbedingungen bei der grabenlosen Sanierung sind aber höflich ausgedrückt komplex. Das IKT will die generelle Einbaubarkeit, die Einsatzbereiche und die Anwendungsgrenzen ausgewählter Sanierungstechniken untersuchen und vergleichen, um die kommunalen Netzbetreiber bei der Wahl eines geeigneten Verfahrens zu unterstützen.Für diesen IKT-Warentest sucht das IKT gemeinsam mit der Stadt Bottrop als federführendem Partner weitere Netzbetreiber, die sich inhaltlich und finanziell einbringen. Die Kosten für die Teilnahme sind ansatzfähig für die Abwassergebühr. Melden Sie sich bei Interesse unverbindlich bei:
Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Markus Gillar
Projektleiter
Telefon: 0209 17806-46
E-Mail: gillar@ikt.de
Wie geht’s weiter?
Weitere Baustellenbesichtigungen und Probenentnahmen bei der Verfüllung von Baugruben bei Bauvorhaben der teilnehmenden Kommunen stehen für die nächste Zeit auf dem Programm. Außerdem wird an den Versuchsständen weitergebaut. Die Lenkungskreismitglieder treffen sich das nächste Mal, wenn bereits die Flüssigböden in den Großversuchsstand eingebaut werden. Dann wollen sie gemeinsam das Bewertungsschema für diesen Warentest festlegen.
Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Martin Liebscher
Projektleiter
Telefon: 0209 17806-23
E-Mail: liebscher@ikt.de
IKT-Warentests: Produkte und Verfahren im Vergleich
Ziel der IKT-Warentests ist es, den Netzbetreibern zuverlässige und unabhängige Informationen über Eigenschaften von marktgängigen Produkten und Verfahren zu liefern. Angaben in Verfahrensbeschreibungen und Werbeinformationen der Anbieter werden durch den IKT-Warentest einer unabhängigen und neutralen Prüfung unterzogen.Ein IKT-Warentest wird immer durch eine Gruppe von Netzbetreibern begleitet, dem sogenannten Lenkungskreis. Dieser Lenkungskreis entscheidet in regelmäßigen Sitzungen über
- die Auswahl von Produkten beziehungsweise Verfahren für die erste Testreihe
- die Bau- beziehungsweise Instandhaltungsaufgabe für den Einsatz der Produkte oder Verfahren im Test
- die maßgeblichen Leistungsziele und Qualitätsanforderungen
- den Umfang und die Ausrichtung des Prüfprogramms
- den Informationsaustausch mit den Produkt- beziehungsweise Verfahrensanbietern
- die Bewertung und die Veröffentlichung der Ergebnisse
Die Prüfungen führt das IKT als unabhängiges Institut durch und dokumentiert die Ergebnisse. Das IKT ist im Rahmen der Prüfung insbesondere verantwortlich für die ingenieurtechnische Entwicklung und Umsetzung der Prüfaufbauten und des Prüfprogramms. Diesbezügliche Entscheidungen werden in unmittelbarer Abstimmung mit dem Lenkungskreis getroffen.
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