Zustandsdaten besser nutzen: Forschungsprojekt zur Zustandsentwicklung von Kanälen in Planung
Zustandsentwicklung von Abwasserkanälen und -bauwerken – Neues Forschungsprojekt von IKT und KomNetABWASSER
Damit das NRW-Umweltministerium das Forschungsvorhaben „Zustandsentwicklung von Abwasserkanälen und -bauwerken – bautechnische Modelle und risikoorientierte Strategien“ fördert, sind Interessensbekundungen von Abwasserbetrieben in Form von Teilnahmereservierungen erforderlich. Teilnehmer am Projekt stellen Inspektionsdaten zur Verfügung und wirken an der Auswertung der Daten aus der Erst- und Zweitbefahrung nach SüwVOAbw NRW mit.
Jetzt unverbindlich über die Möglichkeiten zur Teilnahme informieren!
Risiken durch vage Annahmen
Wer entscheiden muss, ob und welche Maßnahmen zur Instandhaltung einer Abwasseranlage getroffen werden müssen, der schaut sich in der Regel zunächst die Bilder der letzten Kamerabefahrung an. Das vermittelt schon mal einen groben Eindruck. Dann zieht er oder sie bautechnische Annahmen und empirische Alterungsmodelle hinzu. Auf dieser Basis müssen auch Entscheidungen über die Gebühren getroffen werden. Die Risiken sind dabei nicht unerheblich:- Risiko 1: Gibt es viele bedeutende Kanäle, die sich im Zustand kaum ändern, werden zu hohe Gebühren-Belastungen für die heutige Generation angesetzt.
- Risiko 2: Gibt es viele bedeutende Kanäle, deren Zustandsänderung unterschätzt wird, gibt es große (Gebühren-)Risiken für künftige Generationen.
Für Abwasserbetriebe geht es dabei nicht nur um Gebührenrisiken, denn wenn ein Abwasserkanal einbricht oder ein Tagesbruch infolge von Kanalschäden entsteht, wird die Erfüllung der Amts- und Verkehrssicherungspflichten nachträglich unter Berücksichtigung sämtlicher Daten detailliert überprüft. Da möchte man sich ungern etwas vorwerfen lassen müssen.
Unmengen wertvoller Daten
Nun überwachen die Abwasserbetriebe in Nordrhein-Westfalen ihre Abwasserkanäle kontinuierlich bereits seit über 30 Jahren mit der TV-Kamera in Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten nach WHG, DIN EN 752 und SüwVOAbw. Bis 2020 wird der bauliche Zustand für die Mehrheit der Kanalhaltungen schon zum zweiten oder dritten Mal dokumentiert sein. Dipl.-Ing. Marco Schlüter, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im IKT und Leiter des KomNetABWASSER, sieht da ein enormes Potenzial: Würde man diese wertvollen Zustandsbilder systematisch und zielorientiert analysieren, sollte es doch möglich sein, daraus belastbare bautechnische Aussagen zur Zustandsentwicklung von Abwasserkanälen abzuleiten und so die Basis für verlässlichere Sanierungsstrategien zu schaffen.Gemeinsam geht‘s leichter
„Was man alleine nicht schafft, das schafft man vielleicht zusammen“, sagt Schlüter. „Das ist schon immer der Ansatz, den das Kommunale Netzwerk ABWASSER als Gemeinschaft vieler Abwassernetzbetreiber verfolgt.“ So ist im Netzwerk der Abwasserbetriebe die Initiative entstanden, in einem Forschungsprojekt die Verwertung der über drei Jahrzehnte gesammelten Zustandsdaten von Abwasserkanälen unter Beteiligung eines Expertenkreises von 20 Abwasserbetrieben gemeinsam anzugehen.
Initiative für pragmatischen Lösungsansatz
Ziel ist es, falsche bautechnische Annahmen mit hoher Relevanz für Gebühren und Gewässerschutz zu erkennen und damit die Risiken für jeden einzelnen Abwasserbetrieb zu minimieren. Im Fokus stehen dabei unter anderem Risiken aus pauschalen Annahmen über die Zustandsentwicklung bei besonders schadensträchtigen Haltungen und Bauwerken wie Großprofile mit sehr großem Schadenspotenzial oder auch Haltungen in Wasserschutzgebieten. Auch Risiken bei Schadensbildern, die sich ganz besonders häufen – zum Beispiel Unterbögen, Versätze oder fehlerhafte Anschlüsse – sollen untersucht werden.Forschung mit Nutzwert
Das Forschungsprogramm ist sehr praxis- und anwendungsorientiert ausgerichtet auf den Nutzen für Abwasserbetriebe. Wissenschaftlich abgesicherte Ergebnisse helfen, die Risiken bei der Einschätzung der Zustandsentwicklung von Abwasserkanälen zu minimieren:
- Auswahl und Aufbereitung von Kanalinspektionsdaten der Erst- und Zweitbefahrung mit Blick auf belastbare Daten für wissenschaftliche Aussagen
- Begehbare Profile: Ergänzende Untersuchungen zur Ermittlung der Tragfähigkeit des Rohrbodensystems aufgrund der hohen Schadensrisiken bei Ausfall oder Einsturz
- Schadensdiagnosen zur Aufstellung von bautechnischen Hypothesen der Zustandsentwicklung, insbesondere zu den besonders häufig gesichteten Kanalschäden
- Ist-Erfassung und Risikoanalysen zu den in den Abwasserbetrieben pauschal geschätzten technischen Nutzungsdauern und kaufmännischen Abschreibungszeiten
- Entwicklung von risikobasierten Sanierungsstrategien, Hinweise zu Annahmen über Nutzungsdauern und Empfehlungen für die „Dritt-Erfassung“ ab 2021
Teilnahme möglich!
Das Forschungsprojekt wird von der Abwassergesellschaft Gelsenkirchen/Gelsenkanal beim NRW-Umweltministerium zur Förderung vorgelegt. Es ist geplant, dass 15 bis 20 Abwasserbetriebe mitwirken. Teilnehmende Netzbetreiber profitieren von den vertiefenden Einblicken während der Projektphase und vom Austausch unter den beteiligten Kommunen und mit den Wissenschaftlern. Außerdem nutzen sie als erste die Ergebnisse für ihre Arbeit. Und dann wird es kein Bauchgefühl mehr sein. Dann wissen wir, was die Zustandsdaten wert sind.Ausblick: Auf Basis der Projektergebnisse wird ein Versuchsprogramm entwickelt, um in einer zweiten Projektphase weitergehende bautechnische Fragestellungen versuchstechnisch zu klären.
Melden Sie sich bei Interesse sehr gerne. Wir beantworten Ihre Fragen!
Ansprechpartner
- Mirko Salomon M.Sc.
Telefon: 0209 17806-25
E-Mail: salomon@ikt.de - Dipl.-Ing. Marco Schlüter
Telefon: 0209 17806-31
E-Mail: schlueter@ikt.de
Das ist das KomNetABWASSER!
Das Kommunale Netzwerk Abwasser (KomNetABWASSER) ist eine Initiative von rund 60 Abwasserbetrieben. Ziel ist es, die kommunale Abwasserbeseitigungspflicht gemeinsam besser und bürgerfreundlicher umzusetzen – möglichst kostengünstig und im Einklang mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Das Netzwerk nutzt dazu gemeinsam die Serviceleistungen des IKT ‑ Institut für Unterirdische Infrastruktur. So muss nicht jeder das Rad immer wieder selbst neu erfinden.
Motor, Ideengeber, Sparringspartner
Das KomNetABWASSER versteht sich als Anstoßgeber und Unterstützer für die teilnehmenden Kommunen. Aktuelle Themen, die die Kommunen dann aufgreifen möchten, werden wissenschaftlich aufgearbeitet und praktisch begleitet. So hat das Netzwerk beim Thema Starkregenvorsorge Workshops und Seminare durchgeführt, viel mit Betreibern darüber diskutiert und auch viele Arbeitsschritte in den Abwasserbetrieben begleitet.
Viele Erkenntnisse aus der Netzwerkarbeit finden zudem Eingang in die Weiterbildungsangebote des IKT. Aktuelle Beispiele sind der Lehrgang „Beratung und Management Starkregenvorsorge“ und der StarkRegenCongress ‑ SRC 2020, der im September stattfindet.
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