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07.10.2004


Sanierungskonzepte von Grundstücksentwässerungen
Vollzug der SüwVKan in NRW: Kanalinspektion "sehr gut", Drosselklappen "mangelhaft"
 
IKT stellte Ergebnisse einer Bestandaufnahme zur Selbstüberwachung in Nordrhein-Westfalen vor
 
- entnommen aus: bi-UmweltBau Nr. 5/2004 -
 
Die nordrhein-westfälische Selbstüberwachungsverordnung Kanal ist seit dem 1.1.1996 in Kraft und damit eine der dienstältesten Eigenkontrollverordnungen für Abwasseranlagen in Deutschland. Zeit für eine Bilanz, fand das nordrhein-westfälische Ministerium für Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV) schon im Jahre 2001 und beauftragte das IKT Institut für Unterirdische Infrastruktur, Gelsenkirchen, mit einer flächendeckend angelegten Studie zur Umsetzung der SüwVKan. Am 18.08.2004 stellte das IKT die Halbzeitbilanz dieser Verordnung vor – und kam zu einem zwiespältigen Ergebnis. Während das Soll hinsichtlich der Inspektion der Abwasserkanäle mehr als erfüllt wurde, sind bei anderen Aufgaben noch erhebliche Defizite zu konstatieren.
 
Wasserwirtschaft in NRW beschäftigt 100.000 Menschen

In ihrem Eröffnungsvortrag zog NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn eine positive Bilanz der Landespolitik in Sachen Wasser- und Abwasserwirtschaft. Dabei verwies sie darauf, dass zum Stichtag der Untersuchung bereits 75 % statt der bis dahin fälligen 60 % der Kanäle untersucht worden seien; mit einem Sanierungsbedarf von 15 % der untersuchten Leitungen stehe NRW besser da als andere Länder; andererseits bedeute dies aber auch, dass mehr als 12.000 Kilometer öffentlicher Abwasserkanäle in den nächsten Jahren zu erneuern oder zu renovieren seien.

 
Höhn betonte in diesem Zusammenhang die erhebliche Arbeitsmarktbedeutung der Wasserwirtschaft, die in NRW derzeit rund 100.000 Menschen beschäftige. Zu den Zukunftsaufgaben, die in diesem Zusammenhang zu lösen sind, gehört laut Höhn der Ausbau der Regenwasserbehandlung. Besondere Sorgen mache die Frage der Grundstücksentwässerungen, die in NRW zu 70 % undicht seien. Die Ministerin bezeichnete den Zustand privater Leitungen und Schächte als "das eigentliche Problem": Man werde letztlich keinen Erfolg im Ganzen haben, wenn man hier nicht ebenso konsequent zupacke wie in der öffentlichen Infrastruktur. Dabei appellierte sie an die Kommunen, beide Probleme unbedingt organisatorisch zu koppeln. Wo öffentliche und private Instandhaltungsprobleme koordiniert abgearbeitet würden, seien erhebliche und dringend notwendige Kosteneinsparungen zu erzielen.  

NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn

 
90.000 km Kanal, 17.000 Bauwerke und 1,78 Millionen Schächte

Die wesentlichen Eckdaten der SüwVKan-Bilanz stellte IKT-Projektleiter Dipl.-Ing. Thomas Birkner vor. Erfaßt wurden in der IKT-Studie neben allen 396 Städte und Gemeinden auch die neun Wasserverbände und die zwei Wasser- und Bodenverbände des Landes NRW, mithin die Kanäle und Sonderbauwerke von rund 18 Millionen Einwohnern. Kommunen und Verbände betreiben landesweit rund 87.000 Kilometer Freigefälle-Kanalisation und ca. 3.500 Kilometer Druckleitungen. Es dominieren nach wie vor die Mischwasserkanäle mit 54 % des Bestandes vor Schmutz- (24 %) und Regenwasserkanälen (22%) – allerdings mit erheblichen Abweichungen zwischen den einzelnen Regierungsbezirken. Neben den Kanälen betreiben Kommunen und Verbände 6162 Regenbecken, 2417 Regenüberläufe und 6955 Pumpwerke – ein Infrastrukturbestand, der hinsichtlich Betriebskosten und künftig auch in puncto Instandhaltungsaufwand nicht unterschätzt werden darf. Hinzu kommen schließlich noch 1178 Dükerleitungen. Technischer "Exot" im Anlagenbestand sind landesweit 23 Kilometer Vakuumentwässerungsnetze.

 

Große Interesse an SüwVKan: Volles Haus im IKT

 
Eine wichtige Frage ist die der Organisation der kommunalen Abwasserbetriebe. Nur noch 45 % der 18 Mio. Einwohner des Landes werden von den klassisch-administrativen Regiebetrieben entsorgt, 46 % dagegen schon von Eigenbetrieben. Der Anteil von Anstalten öffentlichen Rechts liegt bereits bei 7 %, beinhaltet aber auch die fast 1 Mio. Einwohner der Stadt Köln. Interessanterweise konnte das IKT keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einwohnerzahl und der Organisationsform feststellen.

Gemeinsam voll im Plan – so könnte man das Ergebnis der SüwVKan-Bilanz in Sachen TV-Untersuchung der Kanalisation auf den Punkt bringen. Hätten laut Vorgabe bis Ende 2001 rund 60 % der Kanäle untersucht sein müssen, so waren es de facto 73 %. Inzwischen sollen etliche Kommunen sogar mit der ersten turnusmäßigen Wiederholungsinspektion begonnen haben. Nicht zu verschweigen ist allerdings auch, dass knapp 10 % der Netzbetreiber die Vorgaben zum Stichtag nicht erfüllt hatten. Der Befund dieser Untersuchungen wurde unter der Rubrik Erfreuliches abgebucht: Während man von 15 % Sanierungsbedarf ausgehen muß, weisen 50 % der Leitungen und Kanäle keine wesentlichen Schäden auf. Die 1,78 Millionen Schächte sollen nach Angaben der Netzbetreiber zu 7 % defekt sein; diese Zahl "leidet" allerdings darunter, dass es nach wie vor kein einheitliches und verbindliches Erfassungssystem für den Schachtzustand gibt.

Recht interessant ist es, die festgestellten Defekte in Beziehung zu den tatsächlichen Sanierungsinvestitionen zu setzen. So wurden im Berichtsjahr (hochgerechnet) rund 950 Kilometer Kanäle in NRW saniert, das entspricht 13 % des gesamten zum Stichtag identifizierten Schadensbestandes. Bei den Schächten wären demnach sogar schon fast 19 % des offenen Aufgabenbestandes in 2001 abgearbeitet worden, was -bei gleichbleibenden Investitionen- bedeutete, dass es 2007 in NRW nahezu keine defekten Schachtbauwerke mehr geben dürfte.

 
In zwölf Jahren alle Schäden abgearbeitet ?

Roland W. Waniek, Geschäftsführer des IKT, gab diesen Zahlen den wirtschaftlichen Hintergrund, basierend auf der Auswertung von Abwasserbeseitigungskonzepten (ABK) von 210 Kommunen. Die Kanalnetz in NRW haben danach einen Wiederbeschaffungswert von 81 Milliarden Euro. Davon entfallen 65,7 Milliarden Euro auf die Kanäle, 9 Milliarden Euro auf die Sonderbauwerke und 6,3 Milliarden Euro auf die Schächte. Nach Auswertung der ABK und Hochrechnung auf alle Städte und Gemeinden ergibt sich das folgende Bild: Die kommunalen Netzbetreiber planen in den kommenden Jahren rund 1,13 Milliarden Euro pro Jahr zu investieren, davon 560 Mio. Euro in den Neubau von Kanalnetzen und 571 Mio Euro in deren Sanierung. Auf die Bürger des Landes kommt damit von kommunaler Seite eine jährliche Pro-Kopf-Belastung in Sachen öffentlicher Kanäle von 54,80 Euro zu – mit regionalen Schwankungen zwischen 45,60 Euro und 70,30 Euro. Damit wären innerhalb des für Abwasserkonzepte typischen Zwölfjahres-Horizontes alle bislang festgestellten Schäden an Kanälen und Schächten zu sanieren – eine Aufgabe, die Waniek als "nicht dramatisch und durchaus lösbar" bezeichnete. Hinzu kommen noch jährliche Investitionen der Wasserverbände von rund 420 Mio. Euro, die sich wiederum zu gleichen Teilen auf Neubau- und Sanierungsmaßnahmen verteilen.

 

IKT-Geschäftsführer Roland W. Waniek: "Die Aufgabe ist lösbar."

  Die SüwVKan macht den Kanalnetzbetreibern nicht nur Vorgaben zur Untersuchungs des Baubestandes, sondern fordert auch die Kontrolle betrieblicher Abläufe und von Organisationsstrukturen. Das betrifft nicht zuletzt die Kanalreinigung, bei der eine organisatorische Optimierung zu erheblichen Kostenreduzierungen führen kann. Im Bezugsjahr 2001 wurden in NRW 35.471 Kilometer Kanäle gereinigt, das sind etwa 43 % des Gesamtbestandes, wobei Schmutzwasserkanäle mit 47 % in deutlich höherem Maße gereinigt wurden als Regen- und Mischwasserkanäle. Im Rahmen der IKT-Erhebung zeigte sich zudem, dass 44 % der Netzbetreiber bislang noch ohne Spülplan arbeiten; hier wird offensichtlich regelmäßig, aber schematisch und ohne Bezug zu konkreten Bedarfsdaten gereingt.

Rund 70 % der Gemeinden vergeben die Kanalreingiung inzwischen zumindest teilweise an externe Dienstleister, während nur noch 23 % vollständig auf eigene Austattung zurückgreifen. Dieser Anteil steigt allerdings in Kommunen mit über 100.000 Einwohnern auf 82 % an.

 
Organisationsfragen im Fokus

Rund 82 % der Netzbetreiber in Nordrhein-Westfalen verfügen mittlerweile über eine allgemeine Dienstanweisung für den Kanalbetrieb. Die Befragung nach Überwachungs- und Betriebsanweisungen für einzelne Netzbestandteile und Anlage ergab aber ein sehr durchwachsenes Bild. Derartige Anweisungen für die Kanalnetze haben etwa 70 % der Betreiber, bei Abwasserpumpwerken liegt der Anteil mit 75 % etwas besser; auffallende Defizite gibt es bei Dienst- und Betriebsabweisungen für Übergabepunkte, die gerade einmal jede zweite Kommune entwickelt hat. Vergleichbar schlecht sieht das Bild auch für Regenüberläufe mit rund 60 % aus. Und schließlich zeigt auch die Auswertung der Erhebung zum Vorhandensein von Überwachungs- und Betriebsberichten eine ganz ähnliche Rangfolge. Auch hier führen die Pumpwerke mit 80 %, diesmal allerdings gefolgt von den Regenbecken mit über 70 %. Rund 82 % der NRW-Kommunen verwalten ihre Kanalnetze übrigens auf der Basis eines EDV-Informationssystems; Rückständigkeit in Sachen Datenverarbeitung ist dabei ganz klar eine Frage der Gemeindegröße. Fast jede dritte der Gemeinden unter 10.000 Einwohner verwaltet ihre Kanaldaten noch alter Väter Sitte "mit Bleistift und Aktenordner". Offensichtlich erscheinen hier die Investitionen in Technik und Personal nicht tragbar.

 
Reizthema Drosselklappe

Zu vehementen Debatten im Auditorium führte die Frage der Kalibrierung von Drosselklappen am Ablauf von Regenbecken. Wie Jörg Strauch vom STUA Duisburg ausführte, sind falsche Drosselabflüsse leider fast an der Tagesordnung. Sowohl zu hohe als auch zu geringe Abflüsse gehen letztlich auf Kosten der Umwelt: das Hauptproblem ist ein zu geringer Drosselabfluß, der die unmittelbar an die Vorflut abgebene Schmutzfracht steigen läßt. Überhöhter Abfluß führt hingegen dazu, dass Kläranlagen hydraulisch überlastet werden –gewissermaßen ein "hausgemachtes Fremdwasserproblem"- und durch reduzierte Reinigungsleistung zu hohe Schmutzfrachten in die Vorflut abgeben. Wie Strauch ausführte, sind Drosselfehler häufig auf Wartungsmängel zurückzuführen, teils aber auch auf eine von vorn herein falsche bauliche Ausführung der Anlagen.

Thomas Sürder vom STUA Minden legte dazu aus der Überwachungspraxis eine niederschmetternde Bilanz vor: In Ostwestfalen funktionieren rund 45 % aller Drosselklappen nicht richtig, bei einzelnen Typen bis zu 90 %. Kritisch äußerte sich Sürder auch zur Prüfung und Kalibrierung der Drosseln: Hier würden seiner Behörde in erheblichem Umfang Prüfprotokolle vorgelegt, die man nur als "katastrophal" bezeichnen könne. Sowohl auf Seiten der Netzbetreiber als leider auch bei den Prüfern werde in dieser Frage häufig die nötige Sachkunde vermißt.

Drosseleinrichtungen als neuralgischer Punkt des Abwassernetzes – der Eindruck wird durch die IKT-Umfrage gestützt. Die Vorgabe, dass Drosseln spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der SüwVKan hydraulisch zu kalibrieren sind, wurde nach Ablauf dieser Frist in 2001 von gerade einmal 20 % der Anlagenbetreiber eingehalten; 13 % der Befragten gaben an, gar keine Drosseleinrichtungen in den Regenbecken zu haben. Grobe Mängel wurden auch bei der Überprüfung der Systemeinstellungen an den Drosseln konstatiert, die auch eine Funktions-prüfung der Anlagen beinhalten sollen. Auch diese wurden nur von 45 % der Netzbetreiber verordnungsgemäß durchgeführt. "Sprengstoff" enthält dieses Thema insofern, als dabei für Städte und Gemeinden (und letztlich deren Gebührenzahler) viel Geld auf dem Spiel steht. Denn Vollzugsdefizite in Sachen SüwVKan führen seit 2001dazu, dass säumige Netzbetreiber nicht mehr von der Niederschlagswasserabgabe befreit werden können.

 
Ausblick

Auf eine Zwischenbilanz folgt sinnvollerweise ein Ausblick. Dafür war in Gelsenkirchen Dr. Eckhart Treunert vom MUNLV als "Vater der SüwVKan" prädestiniert. Besondere Priorität müssten seiner Ansicht nach künftig der Umgang mit den Regenwasserbecken und die Kontrolle gewerblicher Abwassernetze haben. Letztgenanntes Thema hat dem Vernehmen nach auch das IKT auf der Agenda künftiger Untersuchungen. Über 2005 hinaus gedacht, sieht Treunert insbesondere die Fremdwasserbekämpfung als Schwerpunkt für die Fortentwicklung der SüwVKan.

 

Mehr als 120 Teilnehmer auf dem IKT-Forum SüwVKan 2004

 
Dazu gehöre allem voran die Sanierung von Hausanschlußleitungen und Grundstücksentwässerungen einschließlich der Beseitigung unzulässiger Drainagen. Handlungsbedarf sieht er aber auch bei dem Phänomen der ins Kanalisationssystem integrierten, verrohrten Fließgewässer. Es sei schließlich schwer nachvollziehbar, wenn einerseits erheblicher investiver Aufwand zur Fremdwasserbekämpfung betrieben werde, anderseits aber über das gleiche Kanalnetz ganze Bäche durch die Kläranlage geleitet würden. Treunert selbst wird die Umsetzung dieser Visionen künftig aufmerksam, aber aus der Distanz verfolgen: Er geht 2005 in den Ruhestand.

Verfasser: Dipl.-Ing. Ulrich Winkler

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