IKT-eNewsletter Oktober 2004 | URL /index.php?doc=441 |
05.11.2004 |
Warum Wurzeln in Kanäle wachsen: aktuelle IKT-ErgebnisseNach gängiger Meinung wird die Umgebung von Abwasserleitungen und Kanäle durch das Austreten von Leitungsinhalt für Wurzeln attraktiv. Wurzeleinwuchs ereignet sich gemäß dieser Modellvorstellung nur, wenn Abwasser aus der Leitung austritt. Im Rahmen eines interdisziplinären Projektes zwischen Botanikern der Ruhr-Universität Bochum und Bauingenieuren des IKT ‑ Institut für Unterirdische Infrastruktur wurden die wahren Ursachen für Wurzeleinwuchs ermittelt, die Mechanismen beim Eindringen von Wurzeln in Rohrverbindungen beschrieben, Vorschläge zur Prüfung der Wurzelfestigkeit von Rohrverbindungen entwickelt und Hinweise zur zukünftigen Vermeidung von Wurzeleinwuchs gegeben [1]. |
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Abwasserleitungen und deren Umgebung, der Leitungsgraben sowie der gewachsene Boden, bieten Lebensraum für die Wurzeln von Bäumen. Die ATV-Schadensklassifizierung [2] beschreibt Schäden durch Wurzeln von Stadtbäumen als einen der hauptsächlich auftretenden Schadensfälle. 5,68 % aller auftretenden Schäden entstehen aus Verwurzelungen [3] und werden überwiegend im städtischen Verdichtungsraum - wie er auch für NRW als bevölkerungsreichstes Bundesland typisch ist - beobachtet [4]. | ||
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Abb. 1: Verwurzelter Teil eines Straßenkanals. Abzweig vor dem Ausbau |
Abb. 2: Blick in den aufgeschnittenen Abzweig: Ausgeprägtes Wurzelpolster in Fließrichtung. |
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Die Ursachen für den Wurzeleinwuchs in Leitungen hängen eng mit diesen örtlichen Randbedingungen zusammen. In der Folge lassen sich die Vorgänge beim Einwuchs von Wurzeln nur beschreiben, wenn das Gesamtsystem aus Baum, Boden, Ver- und Entsorgungsleitungen unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einflussbereiche betrachtet wird. |
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Abb. 3: Einflussbereiche zum Thema Wurzeleinwuchs |
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Wurzeln nehmen den Weg des geringsten Widerstandes Wurzeln dienen der Aufnahme von Nährstoffen und Wasser aus dem Boden. Damit der wachsende Organismus seinen Bedarf an Nährstoffen und Wasser über seine gesamte Lebensdauer hinweg decken kann, wächst auch das Wurzelsystem weiter und erschließt sich stetig neuen Bodenraum. Das Längenwachstum findet bei Wurzeln nur in einem eng begrenzten Bereich der Spitze statt. |
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Abb. 4: Längsansicht einer Wurzelspitze [5]. |
Abb. 5: Mechanische Wirkung der Wurzelspitze. Hier bilden die Wurzelinitialen neue Zellen. Die Wurzelspitze wird in Längsrichtung vorangeschoben. |
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Die Wurzelspitze ist dabei kein starrer Bohrer, sondern hat eine weiche gelatinöse Spitze. Sie wird durch den Wurzeldruck von den Initialen aus in das Substrat bzw. in die Poren zwischen den Substratpartikeln geschoben Die Kalyptra und damit auch die Wurzel wird in die Richtung abgelenkt, aus welcher der Wurzel der geringste Druck von den Substratpartikeln entgegengebracht wird [6]. Die Wurzel kann also aufgrund ihrer Struktur Unterschiede in der Bodenstruktur, wie Verdichtungsunterschiede oder ausreichend große Porenräume, „wahrnehmen“. Einfach ausgedrückt: Die Wurzel nimmt den Weg des geringsten Widerstandes. In Bereichen geringer Dichte bzw. ausreichend großer Porenräume wird die Wurzel wie in einer Falle gefangen (Dichtefalle). | ||
Leitungsgraben als Dichtefalle Der Bodenkörper in Stadtböden wird für Bauwerke der unterirdischen Infrastruktur genutzt und ist dadurch in seiner Struktur stark verändert. Insbesondere die Herstellung von Kanalisationen in der offenen Bauweise stellt einen starken Eingriff in den Bodenkörper dar. Als Folge entstehen ungewollte Dichtefallen. So werden im Leitungsgraben, insbesondere zur Rohrbettung vorherrschend sandige Böden eingebaut, die Porengefüge aufweisen, das den Wurzeln als Lebensraum dient. Die entscheidenden Problemzonen bei der Verdichtung des Leitungsgrabens stellen aber die schwer zugänglichen Zwickel dar. Besonders in schmalen Rohrleitungsgräben sind die Zwickel schlecht erreichbar, so dass dort Bereiche geringer Verdichtung auftreten können. Bei Aufgrabungen war durchweg zu beobachten, dass die Umgebung von Leitungen, d.h. insbesondere der Leitungsgraben, für Wurzeln attraktiv ist. So spiegelt das Wachstum von Wurzeln und das entstehende Wurzelbild oftmals die Schichtgrenzen im Boden bzw. des Bettungsmaterials von Ver- bzw. Entsorgungsleitungen wider. Teilweise waren die Wurzeln parallel zu den Leitungen bzw. entlang der äußeren Rohroberfläche sowohl von Ent- als auch von Versorgungsleitungen gewachsen. |
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Abb. 6 Die Ausbreitung von Wurzeln im Bettungmaterial einer Leitung ist unabhängig von der Art der Leitung. A Im Bettungsmaterial einer Mischwasserleitung sind verholzte Wurzeln parallel zur Leitung gewachsen. B Verholzte Wurzeln breiten sich ebenfalls im Bettungsmaterial von Versorgungsleitungen aus. |
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Rohrverbindungen können als Dichtefalle angesehen werden Aus der Konstruktion von gesteckten Rohrverbindungen ergeben sich in der Regel Hohlräume vor der Dichtung, die entweder frei von Boden sind oder mit nicht verdichtetem Boden gefüllt sind (Dichtefalle Rohrverbindung). Im Rahmen des Projektes wurden verholzte Wurzeln freigegraben, die entlang der Rohrleitung im sogenannten Zwickelbereich von Rohrverbindung zu Rohrverbindung gewachsen waren. Die Räume (Ringraum) und Spalten (Ringspalt) vor dem Dichtmittel der Rohrverbindungen wurden in der Regel durch ein dichtes Wurzelpolster ausgefüllt. Die Wurzeln wachsen über mehrere Jahre in diesen Räumen, bis diese komplett ausgefüllt sind. In der Folge durchdringen die Wurzeln das Dichtelelement und wachsen in den Querschnitt der Leitung ein. Dort bilden Sie in Abhängigkeit vom Leitungsmedium in ihrer Größe und Position unterschiedlich ausgeprägte Abflusshindernisse aus. Der Einwuchs erfolgt hier oberhalb des durchschnittlichen Füllstandes und nicht im Sohlenbereich. Das primäre Ziel scheint also nicht der Kontakt mit dem Abwasser zu sein. |
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Abb. 7 Die Ausbreitung von Wurzeln in einer Leitung variiert mit der Art des Leitungsmediums. A In Mischwasser- bzw. Schmutzwasserleitungen wachsen Wurzelpolster hauptsächlich in Bereichen, die nicht oder nur selten mit Abwasser in Kontakt kommen (oberhalb des mittleren Wasserstandes). B In Regenwasserleitungen breiten sich die Wurzeln auch in wasserführenden Bereichen (Sohle der Leitung) aus. |
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Wurzeldruck: Wie wachsen Wurzeln in Rohre ein? Wurzel können aktiv Hohlräume im Boden erweitern. Die hierfür notwendigen Kräfte bzw. Spannungen entstehen während ihres Dickenwachstums. Diese Kräfte können auf die Elastomerdichtung von Rohrverbindungen wirken, wenn den Wurzeln ein ausreichendes Widerlager zur Verfügung steht. Um die durch Wurzelwachstum im Boden bzw. in der Rohrverbindungen entstehenden Spannungen bzw. Kräfte zu erfassen, wurden Druckmessungen an Primärwurzeln von Erbsen (Pisum sativum) durchgeführt. Die Wurzeln wachsen im Versuch in konisch zulaufenden Aussparungen einer Gipsplatte und können mit fortschreitendem Dickenwachstum Druck gegen eine Druckmessfolie [7] aufbauen. Die entstehenden Spannungen werden dabei zeitlich und über die Angriffsfläche verteilt erfasst. Grundsätzlich konnte festgestellt werden, dass durch das Wachstum von Wurzeln mechanische Druckspannungen in radialer Richtung wirken können. Im hier untersuchten Fall (Pisum sativum, Erbsen) konnten an einzelnen Stellen über wenige Stunden bis zu 5,9 bar gemessen werden. Über längere Zeiträume wurde ein Maximaldruck von ca. 5 bar beobachtet. Die untersuchten Wurzeln stellen Primärwurzeln dar, die nur einen geringen Anteil verholzten Gewebes enthalten. Es ist denkbar, dass bei einer vergleichbaren Messung an verholzten, mehrjährigen Wurzeln im Falle einer Quellung höhere Messwerte aufgenommen werden. |
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Abb. 8: Versuchsaufbau für Druckmessungen an Wurzeln. A Druckplatte aus Gips. B Versuchsaufbau zur Messung des Wurzeldruckes. Es sind zwei Versuchspflanzen erkennbar. |
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Kulturversuche bestätigen die Beobachtungen Die bei den Aufgrabungen gewonnenen Erkenntnisse zum Einfluss des Bettungsmaterials auf die Ausbreitung von Wurzeln konnten durch Kulturversuche bestätigt werden. In Pflanzgefäßen wurde eine künstliche Schichtung von zwei Substraten mit unterschiedlichen Porenräumen angelegt. Als Substrat mit hohem Porenanteil und guter Durchwurzelbarkeit wurde Komposterde ausgewählt (Substrat 1). Für die Herstellung von Bodenbereichen mit geringem Porenanteil wurde Bentonit (Substrat 2) eingesetzt. Als Versuchspflanzen wurden Weiden eingesetzt. |
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Abb. 9: Schichtung der Wuchssubstrate. A Schematischer Längsschnitt durch ein Pflanzgefäß. B Seitlich geöffnetes Pflanzgefäß. In den Schichten aus Bentonit sind keine Wurzeln zu erkennen. |
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Nach dem Öffnen der Kulturgefäße befanden sich die Wurzeln wie erwartet nur in den Schichten aus Komposterde. In den Schichten aus Bentonit waren keine Wurzeln zu erkennen. Die Feuchtigkeit der Bentonitschichten war im Gegensatz zur Komposterde hoch. Bei einigen Wurzeln waren die Spitzen bzw. der Bereich 2-3 cm in Richtung der Wurzelbasis stark verdickt. Derartig ausgebildete Wurzelspitzen traten vornehmlich an Stellen auf, an denen die Wurzeln bei Wachstum Kontakt mit der Wand oder dem Boden des Gefäßes hatten. Die Kontaktfläche zwischen Boden und Kulturgefäß scheint einen besonderen Einfluss auf das Wurzelwachstum zu haben. | ||
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Abb. 10: Geöffnetes Pflanzgefäß, Wurzeln mit Wasser freigespült. Die Wurzeln sind nicht in das Bentonit gewachsen. |
Abb. 11: Seitlich geöffnetes Pflanzgefäß von unten. Am Boden des Pflanzgefäßes sind verholzte Wurzeln zu erkennen. |
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Fazit für die Praxis Auf Grundlage der Ergebnisse des Forschungsvorhabens lässt sich das nachfolgende Fazit für die Praxis bei Bau, Betrieb und Sanierung von Kanälen ziehen. Mit Blick auf die Wurzelfestigkeit von Rohrverbindungen sind die folgenden Punkte zu beachten: - Die Baustellenuntersuchungen und Pflanzversuche zeigten deutlich, dass luftgefüllte Freiräume das Wachstum der Wurzeln fördern können. Entsprechend kann die Wurzelfestigkeit entscheidend durch die Geometrie der Rohrverbindung und die damit angebotenen bzw. verwehrten Wachstumswege dauerhaft beeinflusst werden. Schon geringe Spaltbildungen in Steckverbindungen können einen Einfallspunkt für feine Haarwurzeln bieten. Große Ringräume unmittelbar vor dem Dichtelement erlauben ein verstärktes Dickenwachstum der Wurzeln bei gleichzeitiger Verspannung in der Rohrverbindung, so dass in der Folge die Dichtung verdrängt und ein Zugang für Sekundärwurzeln geschaffen werden kann. Spitz zulaufende Zwickel der Lippendichtung stellen dann einen maßgeblichen Angriffspunkt dar. Weiterhin konnten bei den Aufgrabungen Unterschiede in der Ausbildung des Wurzelwerkes in Abhängigkeit der Oberflächenstruktur des Rohrwerkstoffes beobachtet werden. Haftungsabweisende Oberflächen scheinen hier ein Weg zur Reduzierung des Einwuchsrisikos zu sein. - Aus den bisherigen Untersuchungen kann geschlossen werden, dass die Verfügbarkeit von Sauerstoff für das Wurzelwachstum und Überleben der Pflanze im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung sein kann. Letztlich kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass bei extrem ungünstigen Belüftungsverhältnissen im Boden, eine Sauerstoffzufuhr durch gasdurchlässige Rohrverbindungen eine bessere Sauerstoffversorgung und damit einen zusätzlichen Wuchsreiz im Umfeld der Rohrverbindung schafft. Darüber hinaus kann eine Gasdurchlässigkeit der Verbindung auch weitere Undichtigkeiten ankündigen. - Ein verbreitetes Mittel zur Verhinderung von Wurzeleinwüchsen ist der Einsatz mechanisch wirkender Dichtmittel, die eine hohe statische Sicherheit gegen äußere Druckbelastung bieten. Ein Nachweis dieser Sicherheit ist zum einen durch direkte Belastung der Rohrverbindung durch ein von außen wirkendes Medium möglich oder zum anderen durch Nachweis einer Vorspannung der Dichtung, die durch die zu erwartende Druckbelastung nicht überwunden werden kann. Im vorliegenden Fall wird eine Außenwasserdruckprüfungen bzw. der Nachweis einer geeigneten Anpressdruckverteilung des Dichtmittels in der Rohrverbindung empfohlen. Eine solche Verteilung kann beispielsweise durch den Einsatz von Druckfolien im Rohrverbindungsbereich ermittelt werden. |
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Abb. 12: Messung des Anpressdruckes bei Einwirken einer Scherlast. A Druckfolie auf dem Spitzende einer Rohrverbindung, Querschnitt. B Druckfolie auf dem Spitzende einer Rohrverbindung, Ansicht. C In den Scherlastversuchsstand eingebaute Rohrverbindung. |
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Abb. 13: Anpressdruckverteilung unterschiedlicher Rohrverbindungen: Versuche ohne Scherlast, Beispiele. A Eurotop-Verbindung, Versuch ohne Scherwegbegrenzung. B Eurotop-Verbindung, Versuch mit Scherwegbegrenzung. C Eurotrad-Verbindung. D Cerafix-Verbindung. E KG-Rohrverbindung (PVC-U). F Tyton-Verbindung. |
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- Eine Möglichkeit, die Interaktion zwischen Wurzeln und Rohrverbindungen zu untersuchen, besteht in der Durchführung von Pflanzversuchen. Die Beobachtungen können Grundlage für die Optimierung von Verbindungstechniken und Sanierungsverfahren sein, da die Rohr-Wurzel-Interaktion bereits im Leitungsgraben an der Rohroberfläche beginnt und sich über die äußere Rohrverbindung und das Dichtmittel bis in das Rohrinnere fortsetzt. Bei Neubau bzw. Erneuerung von Leitungen der unterirdischen Infrastruktur sollten mit Blick auf mögliche Einwuchsrisiken die folgenden Punkte bedacht werden: - Wurzeln in der Nähe von Leitungen wachsen vornehmlich in Bodenbereichen, die gering verdichtet sind und dadurch ausreichende Porenräume aufweisen. Wurzeln wachsen nicht aus solchen Bereichen heraus, sondern folgen dem Verlauf von Leitungen. Wachstum von Wurzeln tritt meist neben Leitungen im Zwickelbereich auf. In diesem Leitungsbereich liegt bei Einbau der Leitung in offener Bauweise oftmals die geringste Verdichtung des Bodens vor. - Es ist denkbar, dass beim Bau von Leitungen das Risiko des Auftretens von Wurzeleinwuchs in Abwasserleitungen und –kanäle durch den Einsatz gezielt ausgewählter (schlecht durchwurzelbarer) Bettungsmaterialien minimiert werden kann. Bei der Verlegung von Leitungen in der Nähe von Bäumen bieten sich möglicherweise solche „Wurzelsicherheitszonen“ an. Für den Betrieb von verwurzelten Abwasserleitungen können folgende Aussagen gemacht werden: - Das Abwasser stellt grundsätzlich keine nennenswerte Nährstoff- oder Wasserquelle für die Wurzeln dar. Wurzeln in Schmutzkanälen sterben sogar bei Kontakt mit ihm ab. - Wurzeln in Regenwasserkanälen sind nach Eindringen in die Leitung in ihrem Wachstum behindert, da sie in Trockenperioden infolge des Wassermangels absterben. Allerdings verbleiben die Wurzelreste an demselben Ort, so dass sich in Regenperioden wieder neue Wurzeln mit vergrößerter Wurzelmasse bilden können. Die Wurzelmasse vergrößert sich somit permanent. - Die mechanische Entfernung der Wurzeln ist mit einem Baumschnitt vergleichbar. Aus den abgetrennten Wurzeln entwickeln sich neue Wurzeln, die den Rohrquerschnitt erneut verstopfen können. Laut derzeitiger Rechtslage muss der Eigentümer eines Baumes für Schäden haften, die durch Baumwurzeln außerhalb seines Grundstückes verursacht werden. Diese Haftung kann die Zahlung von Reparaturkosten durch den Baumbesitzer an den Leitungsbetreiber nach sich ziehen, auch wenn sich der Schaden außerhalb des Grundstückes des Baumbesitzers ereignet hat. Die schadensverursachende Baumart kann anhand von Wurzelproben identifiziert werden. Hierfür werden Wurzelschnitte angefertigt. Experten können aufgrund der Anordnung von Zellen und Gefäßen die Baumart bestimmen. |
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Abb. 14: Typische Wurzelquerschnitte verschiedener Baumarten. A Ahorn: nur kleine Zell-Lumina. B Zierkirsche: wenige, große Tracheen außerhalb des Zentrums. C Weide: symetrische Anordnung der Gefäße im Holzteil. |
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Im Rahmen der Aufgrabungen wurden in zwei Fällen mit Injektionsverfahren reparierte Abwasserleitungen begutachtet und das Sanierungsergebnis beurteilt. Auf dieser Grundlage können in Anlehnung an die Wachstummodelle für Wurzeln folgende Aussagen getroffen werden: - Bei der Sanierung von Leitungen in geschlossener Bauweise mittels Injektionsverfahren werden die Räume zwischen den Rohren bzw. in der Rohrverbindung unter Einsatz eines Spezialgerätes mit einem Injektionsmaterial von innen her ausgefüllt. Das Material wird dabei unter Druck in die Rohrverbindung injiziert. Bei Anwendung solcher Materialien in Rohrverbindungen, in die bereits Wurzeln eingewachsen sind, ist eine entsprechend geringe Viskosität des Injektionsmaterials erforderlich. - Bei verwurzelten Rohrverbindungen, die mit Injektionsverfahren repariert und im Rahmen der Baumaßnahmen ausgegraben und analysiert wurden, war zu beobachten, dass erneut Wurzeln innerhalb der Rohrverbindung nachgewachsen und in den Rohrquerschnitt eingewachsen waren. Die Wurzeln bildeten Polster bzw. Geflechte in der Rohrverbindung und verhinderten die gleichmäßige Ausbreitung des Injektionsmaterials. |
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Abb. 15: Injektionsmaterial in einer Rohrverbindung. Das Material hat sich nur ungleichmäßig zwischen den Wurzeln verteilt. Im Bereich des Scheitels (Pfeil) befindet sich eine geringere Menge Material. |
Abb. 16: Innerhalb des Überschiebringes sind die Wurzeln im Injektionsmaterial quer zur Leitung gewachsen. Außerhalb der Rohrverbindung sind Wurzeln zu erkennen, die unter den Überschiebring wachsen. |
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- Grundsätzlich müssten die Wurzelpolster bei der Sanierung von dem Injektionsmaterial durchdrungen werden. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung mit Injektionsmaterial wäre ein Verfüllen der Hohlräume zwischen den Wurzeln und Versiegeln der Sanierungsoberfläche mit hohem Verspannungsdruck des ausgehärteten Injektionsmaterials. Mit den gegenwärtig am Markt angebotenen Injektionsverfahren und –mitteln ist mit der o.a. Vorgehensweise eine Wurzelfestigkeit der reparierten Rohrverbindung voraussichtlich nicht zu erreichen. - Bei der Weiterentwicklung von Injektionsmaterialien könnten auch wurzelfeindliche Inhaltsstoffe einen weiteren Ansatzpunkt bieten. Allerdings dürfte es schwierig sein, solche Stoffe zu entwickeln, die nicht zugleich grundwassergefährdend sind. Aus den entwickelten Modellen zum Wurzelwuchs leiten sich folgende Hinweise zur Optimierung der Konstruktion von Leitungselementen ab: - Die Dichtheit von Steckverbindungen, die üblicherweise für Abwasserleitungen eingesetzt werden, wird maßgeblich durch den Anpressdruck bestimmt, den die Dichtung erzeugt. Allerdings ist eine Erhöhung des Anpressdruckes bautechnisch durch Handhabbarkeitsanforderungen beim Zusammenführen der Rohre sowie die Rohr- bzw. Rohrwerkstoffeigenschaften (Zugfestigkeit, Stabilität) begrenzt. - Der tatsächliche Druck des Dichtelements kann von Wurzeln überwunden werden, wenn er kleiner ist als der Wurzeldruck. Voraussetzung für den Angriff des Wurzeldruckes ist ein Widerlager, an dem sich die Wurzel verspannen kann. Auch die Verbindungsgeometrie entscheidet somit über das Einwuchsverhalten und muss daher mit Blick auf die Wurzelfestigkeit ausgelegt werden. - Bei der Konstruktion von Steckmuffen sollte der durchwurzelbare, umlaufende Spalt gering sein. Allerdings sollte gleichzeitig eine Ringraumbildung zwischen Muffenspalt und Dichtelement verhindert werden, da ansonsten ein Dichtefalleneffekt zu befürchten ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Rahmen dieses interdisziplinären IKT-Projektes die wesentlichen Ursachen für Wurzeleinwuchs erkannt wurden. Allerdings ließen sich nicht alle Fragen abschließend lösen. So sind weitergehende Empfehlungen für Bau, Betrieb und Sanierung von Abwasserkanälen zu entwickeln und die konstruktive Ausbildung von Kanälen und deren Verbindungen mit Blick auf Wurzelwuchs zu verbessern. Künftige IKT-Untersuchungen greifen dies auf. |
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Der vollständige Bericht „Wurzeleinwuchs in Abwasserleitungen und Kanäle“ kann vom IKT-Web-Server heruntergeladen werden: unter www.ikt.de |
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[1] Stützel, Th; Bosseler, B. ; Bennerscheidt, C.; Schmiedener, H.: Wurzeleinwuchs in Abwasserleitungen und Kanäle (Projektendbericht). Lehrstuhl für Spezielle Botanik an der Ruhr-Universität Bochum, IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur, Juli 2004. download: www.ikt.de [2] ATV-M 143, Teil 1: Grundlagen der Inspektion, Instandsetzung, Sanierung und Erneuerung von Abwasserkanälen und –leitungen, Dezember 1989 [3] Stein, D; Kaufmann, O.: Schadensanalyse an Abwasserkanälen aus Beton- und Steinzeugrohren der Bundesrepublik Deutschland - West, Korrespondenz Abwasser 02 / 93 [4] Meyer, F.H.: Bäume in der Stadt, Ulmer Verlag Stuttgart, 1982 [5] Braune, W.; Leman, A.; Taubert, H.: Pflanzenanatomisches Praktikum I., 5.Auflage. Fischer-Verlag, 1987 [6] Bosseler, B.; Stützel, Th.; Bennerscheidt, C.: Root penetration in sewers: Causes, Tests and Prevention. 22nd International NO DIG Conference and Exhibition, Hamburg; November 2004. [7] Firmeninformationen der Fa. Tekscan: Druckfolien zum Erfassung des Druckes in räumlicher Auflösung, Stand 2004; www.tekscan.com |
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Für
weitere Informationen Dipl.-Ing. Christoph Bennerscheidt Email: bennerscheidt@ikt.de Tel.: 0209 17806-25
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