4.3.2.3 Sulfat- und Carbonatgehalt der Schachtwandungen
     
   

Die Sulfat- und Carbonatgehalte der Schachtwandungen sämtlicher 42 Schächte wurden an entnommenen Bohrmehlproben mit Hilfe der nichtdispersiven Infrarotspektroskopie[1] bestimmt. Eine Übersicht über die Messergebnisse geben Tabelle 28 und Tabelle 29.

Zunächst wurden die Schachtwandungen im oberen und unteren Bereich des Schachtkörpers angebohrt und das Bohrmehl mit einer Schale aufgefangen. Pro Entnahmestelle wurden jeweils drei Bohrmehlproben, der Tiefe nach gestaffelt (aus 0 - 1,5 cm Tiefe, aus 1,5 – 3,0 cm und aus 3,0 – 4,5 cm Tiefe) separat entnommen, um die Verteilung des Sulfat- bzw. Carbonatgehaltes auch über die Tiefe der Schachtwandung abschätzen zu können. Der Sulfat- und Carbonatgehalt aller Proben wurde anschließend im Baustoff-Labor der Fachhochschule Bochum (Prof. Dr.-Ing. Pfeifer) analysiert. Dabei wurde folgendermaßen vorgegangen:

  • Die Bohrmehlproben wurden zunächst bei 105° C im Wärmeschrank bis zur Massekonstanz getrocknet und anschließend, soweit erforderlich, auf eine Korngröße < 0,25 mm nachgefeinert.

  • An einer Teilprobe von ca. 100 mg wurden nach einem thermischen oxidativen Aufschluss bei rund 1.500° C im Hochfrequenzofen die Gehalte an Kohlenstoff- (als CO2) und Schwefelverbindungen (als SO3) mit Hilfe der nicht dispersiven Infrarotspektroskopie bestimmt. Als Schwefelverbindungen enthielten die Proben überwiegend Sulfate und als Kohlenstoffverbindungen überwiegend Carbonate.

  • Diese Gehalte wurden anschließend auf die Masse der getrockneten Proben bezogen.

Bei einem Sulfatangriff (treibender Angriff) bilden die im Abwasser gelösten Sulfate zusammen mit den Aluminathydraten (C3A) und dem Calciumhydroxid des Zementsteins sehr voluminöse Kristalle. Der dabei entstehende Kristallisationsdruck verursacht ein Treiben im Zementgestein, das u.U. zur vollständigen Zerstörung führen kann (nach [1]). Zunächst verdichten zwar die neugebildeten Kristalle die Poren, was zu einer zeitweiligen Erhöhung der Festigkeit führen kann, anschließend schreitet aber die Reaktion fort und damit die Rissbildung und Zerstörung [88]. Alkalireiche Zemente und Zemente mit hohem Eisen- und geringem C3A – Anteil sowie ein geringer w/z-Wert erhöhen den Widerstand des Betons oder Mörtels. Unter der Annahme, dass die sulfathaltigen Ausgangsstoffe z.B. den Angaben aus [89], [90] und [91] entsprechen (Zement ca. 4 M- %, Flugasche ca. 4 M-%, Wasser ca. 2000 mg/l) liegt bereits der durchschnittliche Sulfatgehalt eines frisch erstellten Betons bei ca.
0,85 M-% [92]. Diese Sulfatgehalte führen zunächst nicht zu einem treibenden Angriff, da das Sulfat während der Erstarrung (Phase der Hydratation) in die Hydratphasen eingebunden wird. In der Nutzungsphase können diese Bestandteile jedoch durch eine hohe Feuchtigkeit bzw. Kontakt mit Wasser gelöst werden und ihre zerstörerische Wirkung entfalten.

Bei der biogenen Schwefelsäurekorrosion tritt i.d.R. ein treibender Angriff durch die
Sulfationen der Schwefelsäure in Kombination mit dem lösenden chemischen Angriff der Säure auf. So dringen die Sulfationen der Schwefelsäure entlang der gelösten Ca(OH)2-Bahnen in den Beton ein und zerstören den Beton weiter durch treibenden Angriff. Somit entstehen zwei Schädigungsfronten. Innerhalb der ersten Schädigungsfront, von der geschädigten Oberfläche aus gesehen, ist die Betonmatrix durch lösenden und treibenden Angriff vollständig zerstört. Für das Auge unsichtbar und nur mikroskopisch nachweisbar ist eine zweite Schädigungsfront, die tiefer verläuft. Innerhalb dieser zweiten Schicht hat die Säure die Betonmatrix lediglich durch lösenden Angriff geschädigt. Die mechanische Beständigkeit dieser Schicht ist weitgehend erhalten, da noch kein bzw. kaum schädigender Angriff stattgefunden hat (vgl. Abb. 67). [93]

     
   

     
   

Abb. 67: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer durch biogene Säurekorrosion geschädigte Bindemittelmatrix. Der linke Bereich ist durch lösenden und treibenden Angriff vollständig zerstört. Der mittlere etwas dunklere mit Rissen durchzogene Bereich ist durch lösenden Angriff vorgeschädigt. Erst der rechte hellere Bereich der Bindemittelmatrix ohne Risse ist ungeschädigt (aus [93]).

     
    Der chemische Vorgang der Umwandlung von Calciumhydroxid Ca(OH)2 zu Calciumcarbonat CaCO3 durch das Einwirken von Kohlendioxid CO2 wird als Carbonatisierung bezeichnet. In carbonatisiertem Beton ist der pH-Wert deutlich niedriger als in unbeeinflusstem Beton (pH-Wert ca. 12), er kann bereits bei normalem CO2-Gehalt der Luft auf etwa 9 absinken. Bei diesem pH-Wert ist die passivierende Wirkung des Betons aufgehoben und damit die Korro-sion einer Bewehrung, bei gleichzeitigem Vorhandensein von Wasser und Sauerstoff, möglich (nach [94]). In der Regel sind die Betonfertigteile im Abwasserbereich unbewehrt, so dass eine Carbonatisierung hier keine Gefahr darstellt. Eine Carbonatisierung führt andererseits zu einer Erhöhung des Widerstandes gegen chemischen Angriff, so wird z.B. der Sulfatangriff, u.A. durch eine Behinderung der Transportvorgänge im Porensystem, zeitlich verzögert [88].

In den Mauerwerkswandungen und den Betonwandungen ohne Korrosion der Schächte wurden in fast allen Fällen nur geringe Sulfatgehalte von weniger als einem Masse% gemessenen, im Mittel lagen die Werte bei ca. 0,16 Masse% (Mauerwerk) bzw. 0,40 Masse% (Be-ton ohne Korrosion). Nur in einem Fall (Schacht Nr. 26, Mauerwerk) wurde ein demgegen-über erhöhter Sulfatgehalt (1,94 Masse-% oben bzw. 2,18 Masse-% unten) an der Oberfläche der Schachtwandung festgestellt. Für diese erhöhten Werte können starke Schmutzablagerungen an der Schachtwandung verantwortlich sein, deren Reste (nach Reinigung) bei der Probennahme mit dem Bohrmehl vermischt wurden (vgl. Abb. 68). Ähnliche Effekte sind auch bei scheinbar unplausiblen Schwankungen der Werte über die Tiefe zu vermuten.
   

 

   

     
   

Abb. 68: Starke Schmutzablagerungen an der Mauerwerkswandung des Schachtes Nr. 26

Abb. 69: Korrodierte Schachtwandung aus Beton

     
    In den Betonwandungen der Schächte, bei denen eine deutliche Korrosion der Schachtwandung beobachtet werden konnte (Schadensbild Korrosion, vgl. Abb. 69) wurden im Mittel deutlich höhere Sulfatkonzentrationen von 1,92 Masse% mit Spitzenwerten von bis zu 18,5 Masse% festgestellt. Umgekehrt zeigten auch alle Schächte mit hohem Sulfatgehalt deutliche Korrosionserscheinungen. Hier war der Sulfatgehalt in allen Fällen in den oberflächennahen Schichten bis 1,5 cm Tiefe am höchsten, i.d.R. wurden in den tieferen Schichten nur noch geringere Werte von bis zu einem Masse% festgestellt. Somit hätte in den vorliegenden Fällen eine während der optischen Inspektion erkennbare Korrosion der Betonwandung auch als ausreichendes Indiz für übermäßige Sulfatgehalte im Beton gewertet werden können.
     
   

Tabelle 28: Gemessene Sulfat- und Carbonatgehalte in den Proben aus Mauerwerksschächten

     
   
   

Sulfatgehalt
[Masse%]

Carbonatgehalt
[Masse%]

Schacht
Nr.

oben
(Entnahmetiefe in cm)

unten
(Entnahmetiefe in cm)

oben
(Entnahmetiefe in cm)

unten
(Entnahmetiefe in cm)

 

0,0

-

1,5

1,5

-

3,0

3,0

-

4,5

0,0

-
1,5

1,5

-

3,0

3,0

-

4,5

0,0

-
1,5

1,5

-

3,0

3,0

-

4,5

0,0

-
1,5

1,5

-

3,0

3,0

-

4,5

Undicht ohne Korrosion

12

0,53*

0,53*

0,54*

0,07

0,02

0,02

3,12*

1,21*

1,19*

0,31

0,14

0,14

17

0,56*

0,49*

0,48*

0,04

0,02

0,01

2,18*

0,89*

1,64*

0,24

0,22

0,24

22

0,33*

0,27*

0,34*

0,10

0,05

0,04

35,11*

32,99*

32,60*

0,32

0,31

0,19

23

0,19*

0,23*

0,27*

0,04

0,02

0,02

41,12*

36,29*

36,10*

0,34

0,17

0,19

24

0,30*

0,27*

0,25*

0,06

0,04

0,03

1,76*

0,61*

0,35*

0,44

0,46

0,16

27

0,02*

0,01*

0,01*

0,02

0,01

0,02

0,35*

0,11*

0,10*

0,26

0,16

0,12

30

0,48*

0,43*

0,42*

0,02

0,03

0,03

1,49*

0,73*

0,72*

0,33

0,16

0,34

33

0,02

0,02

0,02

0,01

0,01

0,02

0,56

0,33

0,30

0,16

0,27

0,26

34

0,03

0,12

0,01

0,17

0,01

0,01

0,78

0,53

0,30

0,39

0,28

0,25

35

0,02

0,02

0,02

0,02

0,01

0,01

0,23

0,29

0,36

0,36

0,19

0,20

Fugen-

korrosion

7

0,62*

0,61*

0,51*

0,05

0,04

0,03

1,35*

0,50*

0,42*

0,29

0,17

0,16

8

0,33*

0,41*

0,39*

0,03

0,02

0,03

1,50*

0,31*

0,37*

0,40

0,20

0,10

9

0,03*

0,01*

0,01*

0,05

0,03

0,02

0,32*

0,14*

0,08*

0,47

0,35

0,09

10

0,01*

0,01*

0,01*

0,11

0,07

0,01

0,11*

0,10*

0,06*

0,13

0,13

0,07

11

0,01*

0,01*

0,01*

0,01

0,01

0,01

0,21*

0,27*

0,40*

0,43

0,12

0,12

13

0,08*

0,06*

0,05*

0,03

0,01

0,01

0,14*

0,09*

0,13*

0,34

0,11

0,13

15

0,49*

0,46*

0,58*

0,04

0,02

0,02

1,99*

0,81*

0,77*

0,31

0,14

0,22

26

1,94

0,40

0,30

2,18

1,06

1,06

0,41

0,12

0,20

2,27

4,52

3,88

28

0,53*

0,66*

0,53*

0,03

0,01

0,01

12,16*

3,49*

1,82*

0,25

0,19

0,18

29

0,47*

0,51*

0,51*

0,02

0,01

0,01

1,45*

0,62*

1,05*

0,25

0,11

0,11

36

0,08

0,03

0,04

0,07

0,03

0,04

0,42

0,17

0,20

0,21

0,09

0,12

37

0,02

0,02

0,02

0,05

0,02

0,02

0,26

0,23

0,23

0,51

0,21

0,35

38

0,02

0,02

0,02

0,14

0,05

0,04

0,28

0,17

0,18

0,23

0,16

0,16

   

Anmerkung:
* = Die dargestellten Werte wurden an den Betonoberteilen der Schächte ermittelt

     
     
   

Tabelle 29: Gemessene Sulfat- und Carbonatgehalte in den Proben aus Betonfertigteilschächten

     
   

   

Sulfatgehalt
[Masse%]

Carbonatgehalt
[Masse%]

Schacht
Nr.

oben
(Entnahmetiefe in cm)

unten
(Entnahmetiefe in cm)

oben
(Entnahmetiefe in cm)

unten
(Entnahmetiefe in cm)

 

0,0

-

1,5

1,5

-

3,0

3,0

-

4,5

0,0

-
1,5

1,5

-

3,0

3,0

-

4,5

0,0

-
1,5

1,5

-

3,0

3,0

-

4,5

0,0

-
1,5

1,5

-

3,0

3,0

-

4,5

Undicht ohne Korrosion

1

0,31

0,32

0,33

0,57

0,43

0,35

1,29

0,66

0,82

15,17

4,78

3,17

2

0,39

0,48

0,44

0,11

0,26

0,43

3,78

1,14

0,60

2,18

0,90

0,73

3

0,56

0,35

0,34

0,71

0,32

0,39

2,65

0,87

3,09

4,23

3,63

1,31

4

0,40

0,29

0,35

0,50

0,47

0,43

1,25

0,28

0,37

0,65

0,39

0,37

5

0,34

0,39

0,38

0,48

0,36

0,41

15,39

13,91

13,96

2,27

0,28

0,39

6

0,74

0,69

0,58

0,50

0,43

0,48

2,31

0,90

1,12

1,11

0,90

0,39

14

0,69

0,60

0,52

0,78

0,70

0,67

1,94

0,89

0,44

1,11

0,63

0,74

16

0,48

0,43

0,37

0,35

0,25

0,22

1,20

0,75

0,38

2,56

0,33

0,45

18

0,25

0,27

0,30

0,32

0,33

0,38

37,13

35,11

33,34

36,56

33,55

37,57

19

0,32

0,27

0,25

0,45

0,38

0,45

29,33

31,62

37,44

2,93

4,87

1,52

20

0,59

0,57

0,52

0,21

0,24

0,25

18,64

16,23

19,28

39,00

28,91

33,80

21

0,32

0,23

0,30

0,27

0,17

0,16

1,32

0,35

0,60

2,24

0,78

0,58

25

0,76

0,56

0,45

0,06

0,05

0,06

4,17

2,55

2,39

0,01

0,46

1,00

Korrosion

31

1,74

0,34

0,31

1,30

0,52

0,30

27,35

23,92

24,94

23,06

21,15

21,71

32

4,10

0,39

1,10

1,73

0,60

0,38

22,10

21,85

21,59

20,25

24,15

24,29

39

1,67

0,52

0,46

0,64

0,51

0,50

2,54

1,53

1,78

1,45

1,11

1,54

40

18,50

1,55

2,57

7,94

0,90

1,51

1,20

1,01

1,64

2,23

1,61

1,65

41

3,34

0,50

0,77

4,45

2,99

0,79

1,32

0,80

1,38

1,55

1,13

1,90

42

1,83

0,68

0,65

1,43

0,83

0,63

0,98

0,72

1,29

0,95

1,49

0,88

     
     
   

[1]   Die nichtdispersive-Infrarotspektroskopie ist ein physikalisches Verfahren, das auf der Schwingungsanregung des CO2-Moleküls durch Strahlung einer diskreten Wellenlänge (im Absorptionsmaximum des    Meßgases) im Infrarotbereich beruht (aus: Schneider, C.: Kohlenstoffbestimmung in Wässern und Feststoffen: Von TOC/TIC bis Dieselruß- und Abgasanalyse, unter www.av.fh-koeln.de/professoren/rehorek/files/PA_Kohlenstoff_Schneider_Referat_0201.pdf vom 13.01.2005).