3.2.2 Wurzeln in Leitungsgräben
   
 

Pflanzen erhalten durch das Wurzelwachstum im Boden zum einen mechanischen Halt. Zum anderen entnehmen sie dem Boden Wasser und Nährstoffe für ihr Wachstum [27]. Darüber hinaus sind Wurzeln die Atmungsorgane der Pflanzen, über die die Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe erfolgt. Wurzeln wachsen in der Regel im Boden, der sowohl günstige als auch ungünstige Umwelt- bzw. Randbedingungen aufweisen kann.

   
 

Ungehindertes Wurzelwachstum erfolgt in großen Poren. Dabei wird davon ausgegangen, dass in Poren von größerem Durchmesser als 0,2 bis 0,4 mm Wurzeln eindringen können [28], [29]. Feine Poren werden von Wurzelhaaren durchzogen. Damit ist die Erfassung der größeren Porendurchmesser für das Wurzelwachstum zum Kanalrohr wesentlich. Das Durchdringen feinerer Poren durch Haarwurzeln ist für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen sowie die Atmung erforderlich. Das Porengefüge, beschreibbar durch die Porengrößenverteilung, stellt somit einen wichtigen Lebensraum für Wurzeln dar. Grundlage für die Bestimmung der Porengrößenverteilung sind die in [28] und [29] beschriebenen Annahmen. Wurzeln wachsen aber nicht nur in bereits bestehende Porenräume hinein. Sie können auch aktiv einen mechanischen Druck auf den Boden ausüben und die Porenräume vergrößern (vgl. [30], [31], [32] und [33]).

   
 

Der Gehalt des Bodens an Grobporen ist vor allen von der Rohdichte des Bodens abhängig. Je geringer die Rohdichte ist, um so höher sind die Gehalte an Grobporen [34], [35], [36]. Damit bestehen bereits früh erkannte Beziehungen zwischen Rohdichte und Durchwurzelung des Bodens. Veihmeyer u. Hendrickson (1948) [37] gaben für Sonnenblumen bei Sandböden eine Rohdichte des trockenen Bodens von 1,9 g/ccm und für Tonböden von 1,7 g/ccm an, bei der keine Durchwurzelung mehr erfolgte.

   
 

Beim Dickenwachstum muss die Wurzel die Partikel ihrer Umgebung beiseite schieben. Dazu muss der von der Wurzel entwickelte Druck groß genug sein, um den Druckwiderstand des Bodens zu überwinden. Entsprechend werden Druckwiderstandsmessungen am Profil unter dem zum Probenahmezeitpunkt im Boden vorliegenden Feuchteverhältniss durchgeführt. Mit Hilfe eines Penetrometers lassen sich die von Pflanzenwurzeln überwindbaren Durchwurzelungswiderstände ermitteln. Dieser Wert ist abhängig von

   
 
  • der Korngröße und der Korngößenverteilung im Boden,

  • der Rohdichte des Bodens, d.h. der Lagerungdichte der Partikel, sowie

  • dem Vorliegen von "Schmierstoffen" wie Wasser und Humus, die den Scherwiderstand herabsetzen.

   
 

Auch führt der während des Jahres wechselnde Bodenwassergehalt zu einem schwankenden Druckwiderstand des Bodens, den die Pflanzenwurzel zu überwinden haben (vgl. [38], [39], [40], [41] und [42]). Dies erschwert aber auch die Zuordnung der Merkmale wie Korngrößenzusammensetzung und Rohdichte zu den Druckwiderständen [43].

Das Wurzelwachstum wird deutlich verringert oder hört bei mit Penetrometern ermittelten Druckwiderständen von über 2 Mpa (vgl. [44] und [45]), 3 MPa (vgl. [46]) und nach anderen Angaben (vgl. [47]) bei 5 MPa auf. Allerdings scheinen die anhand von Penetrometermessungen ermittelten, von Pflanzenwurzeln überwindbaren Durchwurzelungswiderstände deutlich überschätzt [48] zu werden.

Die Pflanzenwurzeln werden in die Bodenregionen vorstoßen, wo sie Wasser und Nährstoffe vorfinden. Die Eigenschaft eines Bodens, Wasser und Nährstoffe pflanzenverfügbar bereit zu stellen, unterstützt eine Durchwurzelung. Dabei kann die Pflanze mit ihren Hauptwurzelsystemen ohne starke Seitenverzweigung Bodenbereich durchwachsen, die ihr Wasser- und Nährstoffe nicht ausreichend anbieten oder deren Erschließung durch Feinwurzeln infolge hoher Bodendichte nicht möglich ist [49], [50]. Von Bedeutung ist nicht nur, ob Nährstoffe pflanzenverfügbar vorliegen, sondern dass sie auch zur Wurzel gelangen können. Phosphor wird z.B. überwiegend durch Ausscheiden von organischen Säuren durch die Wurzeln aus Phosphat verfügbar gemacht. Die Haarwurzeln müssen somit in der Lage sein, den Boden leicht zu durchdringen, d.h. der Boden muss ausreichend locker und porös sein [51]. Kalium hingegen erfordert einen hohen Massenfluss, d.h. Wassertransport in nur mit Wasser gesättigtem Boden, da Kalium zusammen mit Wasser aufgenommen wird. Dazu sind hohe Gehalte an Mittelporen erforderlich. Auch hier zeigt sich der jahreszeitliche Einfluss auf eine Durchwurzelung. Während stärkerem Wasserentzug aus dem Boden in trockeneren Jahreszeiten wird der Massenfluss und damit die Kaliumaufnahme abnehmen.

Die Wurzelatmung erfordert ein Grobporensystem, das frei von Wasser ist und somit Sauerstoffzufuhr ermöglicht. Luftarmut erzeugt Sauerstoffmangel [52] und Kohlendioxydüberschuss [53], was das Wurzelwachstum hemmt. Bei starkem Sauerstoffmangel sterben die Wurzeln ab [54]. Ein wasserfreies Grobporensystem liegt vor bei

   
 
  • großkörnigen Böden,

  • gut aggregierten Böden,

  • grund- und stauwasserfreien Böden.

   
 

Als ausreichende Luftkapazität werden 7 Vol. % [55], als nicht ausreichend unter 5 Vol. % [53] angegeben.

Der Gasaustausch erfolgt über Diffusion [56], [57]. Eine hohe Diffusion wird bei hohen Grobporengehalten und hoher Porenkontinuität vorliegen [58]. Eine maximale Diffusion wird erreicht, wenn kein Hindernis die Diffusion behindert, wie z.B. in Luft. Umlagerung und Verdichtung des Bodens werden diese verringern. Der Gasaustausch ist jedoch auch von der Länge des Diffusionsweges abhängig. In tiefen Bodenhorizonten nimmt daher die Bodenbelüftung ab, was zur Abnahme der Durchwurzelung führt. Kennzeichen hierfür ist ein geringes Redoxpotential. Vor allem im Bereich von Abwasserkanälen, aber auch aus Gasleitungen, können Gase (Methan, Kohlendioxid) entweichen, die Sauerstoff verdrängen. Diese Gase können sich auch aus Humus in Unterböden entwickeln. Zur Ermittlung von Bodenbereichen mit Sauerstoffdefiziten werden Redoxpotentialmessungen im frischen Bodenprofil durchgeführt.

Weitere Umweltbedingungen, die das Wurzelwachstum behindern können, sind niedrige pH-Werte unter pH 4,2, die zur Freisetzung toxischer Aluminiumionen führen, und das Vorliegen von erhöhten Salzgehalten, die die Wasseraufnahme stören. Entsprechend werden pH-Wert-Untersuchungen durchgeführt. Bodensalze sind in unserem niederschlagsreichen Klima von untergeordneter Bedeutung, da sie ausgewaschen werden.

Spezifische Merkmale der Abwasserleitungsgräben sind

   
 
  • das Vorherrschen von sandigen Böden (Rohrbettung), auch unterhalb der Rohrsohle,

  • die Oberflächenversiegelung durch eine Straßen- oder Gehwegdecke und

  • der Wechsel jahreszeitlicher Wassergehalte durch Wasserentzug durch Straßenrandbäume und seitlichen Wasserzufluss.