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IKT-eNewsletter Februar 2004
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Sanierungskonzepte von Grundstücksentwässerungen
Stahlbetonrohre realitätsnah prüfen 
 
Um sicherzustellen, dass ein Stahlbetonrohr dauerhaft tragfähig ist, wird mit dem "klassischen" Scheiteldruckversuch auf ein Prüfverfahren zurückgegriffen, dass vor mehr als 100 Jahren zur Prüfung von Betonrohren entwickelt wurde. Die besonderen Eigenschaften des Werkstoffes Stahlbeton finden dabei grundsätzlich keine Berücksichtigung.
 

Hydraulische Rohrprüfpresse System "Koenen" (um 1900)

 
Im Rahmen eines nun abgeschlossenen Forschungsprojektes wurde das Rissverhalten von Stahlbetonrohren unter Beanspruchungen untersucht, wie es auch bei erdüberdeckten Rohren tatsächlich auftritt. Hierzu wurde eine neuartiges Prüfverfahren zur Simulation realitätsnaher Beanspruchungen entwickelt, dass auf den Erfahrungen aus dem "klassischen" Scheiteldruckversuch aufbaut. Auf der Basis von Vergleichsrechnungen wurde ein modifizierter Scheiteldruckversuch mit horizontaler Stützung bei konstantem Vertikal-/Horizontalkraft-Verhältnis abgeleitet.
 

Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus mit Lasteinleitung

 
Die Auswahl der Versuchsparameter orientiert sich stets an einem konkreten Bemessungsfall, d.h. einer tatsächlichen Beanspruchungssituation unter In-situ-Bedingungen. Diese kann beliebig vorgegeben werden.

Für die Praxis bedeutet dies, dass erstmalig ein unmittelbarer Vergleich der gelieferten Rohrqualität mit den unter Betriebsbedingungen geforderten Leistungen möglich ist. Darüber hinaus ist auch eine quasi-zerstörungsfreie Prüfung bis zum geringfügigen Überschreiten der Erstrisslast denkbar, wenn im Versuch nur die grundsätzliche Rissbreitenentwicklung unmittelbar nach Rissbeginn ermittelt werden soll und Risse mit beschränkter Breite für den In-situ-Einsatz weiterhin zugelassen sind.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden insgesamt 30 Versuche an Rohren unterschiedlicher Bewehrung und Herstellungsverfahren durchgeführt, um einerseits den Versuchsablauf zu optimieren und andererseits das Messprogramm auf die Qualitätssicherungsanforderungen der Praxis auszurichten.

 

Versuchseinrichtung mit eingebautem Rohr DN 2200

 
Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass sowohl die Wahl einer Mindestbewehrung als auch die Verbesserung des Verbundverhaltens durch Beton-Nachbehandlung zu einer Verminderung der Rissbreitenentwicklung führen kann. Allerdings lässt sich ein geringer Bewehrungsgrad nicht durch eine verbesserte Nachbehandlung ausgleichen, da dieser auch zu einer Minderung der Traglast führt und die Nachbehandlung lediglich das Verbundverhalten und damit die Rissbreitenentwicklung beeinflusst.

Im "klassischen" Scheiteldruckversuch wird die Rissentwicklung im Scheitel aufgrund fehlender Normalkrafteinflüsse überschätzt. In der Folge stehen einwandfrei produzierte Rohre zunächst im Verdacht einer übermäßigen Rissbildung. Umgekehrt können Rohre mit schlechten Verbundeigenschaften durch Hinweis auf die nicht praxisnahen Prüfbedingungen "schön geredet" werden, frei nach dem Motto "draußen treten solche Belastungen und damit auch solche Rissbilder gar nicht auf".

Der neue modifizierte Scheiteldruckversuch gestattet die Prüfung des Rissverhaltens von Stahlbetonrohren unter realitätsnahen Beanspruchungen, d.h. Momenten- und Normalkraftbeanspruchung, so dass ein Rohr unter tatsächlichen Bemessungsbedingungen geprüft werden kann. Neben der Betonfestigkeit kann damit auch die Rissentwicklung und das Verbundverhalten zwischen Stahl und Beton praxisnah bewertet werden.

Weichen die gewählten Bemessungsbedingungen, z.B. Betondeckung und Abstand der Bewehrungslagen, erheblich von den üblichen Ansätzen des Stahlbetons ab, so dass die Anwendbarkeit der heute verbreiteten Bemessungsansätze anzuzweifeln ist, könnten ergänzende Prüfungen im modifizierten Scheiteldruckversuch zusätzliche Sicherheit bieten.

Bestehen auf der Baustelle andere Randbedingungen als in der statischen Berechnung angesetzt wurden, z.B. hinsichtlich Grabenbreite, -form, und –tiefe sowie Einbau- und Überschüttungsbedingungen, so ist ein neuer statischer Nachweis zu erbringen. Sollen bereits produzierte und ursprünglich für einen anderen Lastfall bemessene Rohre eingesetzt werden, könnten stichprobenartige Belastungsprüfung im modifizierten Scheiteldruckversuch weitere Sicherheit bieten, da das tatsächliche Rissverhalten der Rohre unter den neuen Bemessungsbedingungen überprüft werden kann.

Damit steht Netzbetreibern und Herstellern erstmalig ein praxisnahes, an den tatsächlichen Einbaubedingungen vor Ort orientiertes Instrument zur Bauteilprüfung und Qualitätssicherung zur Verfügung.

 
 

Für weitere Informationen
wenden Sie sich bitte an:

Dipl.-Ing. Andreas Redmann
IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur
Exterbruch 1

45886 Gelsenkirchen
Tel.: 0209 17806-0
Fax: 0209 17806-88
Email: redmann@ikt.de

Internet: www.ikt.de



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